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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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und bei wem?
    »Ich werde ...«, setzte Akil an.
    Sie hörte seine Antwort nicht mehr. Plötzlich schälte sich ein feister Arm aus der Menge, packte sie, zerrte sie fort. Sie wollte schreien, aber konnte es nicht. Schwielige Finger legten sich auf ihren Mund, und dann sah sie die Welt nur mehr durch den groben Schleier eines Hanf sacks, der ihr über den Kopf gestülpt wurde.
Corsica, 251 n.Chr.
    Ich weiß nicht, wie lange ich bei Eusebius im Atrium hockte. Nachdem ich ihn zurückgestoßen hatte, war er zu Boden gefallen und dort liegen geblieben. Er hob nicht einmal den Kopf. Nur sein rasselnder Atem war hörbar, ansonsten lag sein Leib wie tot.
    Ich war beschämt – zuerst von dem, was ich getan hatte, auf ihn eingeschlagen, ihn fortgestoßen. Dann, weil es mir unangenehm war, als Einzige bei ihm zu sein. Ich fühlte Blicke auf uns ruhen – doch niemand wagte es, uns nahe zu kommen.
    »Du bist doch so reich!«, sagte ich schließlich, als ich das Schweigen nicht länger ertrug. »Mit deinem Reichtum könntest du Julia vielleicht retten! Du könntest irgend]emanden bestechen, damit sie freigelassen wird!«
    Jetzt erst setzte er sich auf. Sein Gesicht war noch röter angelaufen.
    »Reich?«, lachte er bitter. »Ich? Julia liegt mir seit Jahren in den Ohren, alles Vermögen für die Armen zu nutzen. Kaiser Philippus wusste noch, was er uns zu verdanken hatte – warum weiß es Decius nicht? Wer sorgt denn für die Bettler, für die Heimatlosen, für die Kranken, wenn nicht wir? Wenn es nach Julia ginge, wäre ich freilich selbst längst ein Bettler. Als Cyprian einst in der Gemeinde von Carthago Geld sammeln ließ, um Christen freizukaufen, die von Piraten entführt wor- den waren, da hätte sie mich fast an den Rand des Ruins gebracht.«
    »Ihr besitzt doch ... diesen Schatz?«
    »Wovon redest du, Mädchen?«
    »Man erzählt sich ...«, ich brach ab. Es schien keinen Nutzen zu haben, darauf zu dringen. Eusebius war viel zu verwirrt, viel zu aufgewühlt. Ich war es auch. Mochte ich auch noch nicht ganz begreifen, was geschehen war und was der Aufruhr bedeutete. Mochte ich auch zum ersten Mal von den Christen hören und was ihr Glauben bedeutete. Tief im Inneren ahnte ich schon jetzt, dass ich den düsteren Schicksalsmächten geholfen hatte, aus ihren dünnen Fäden Fallstricke zu spinnen, die sich bedrohlich um eine sture, entschlossene Frau zusammenzogen.
    »Du hast gesagt, man hat Julia verhaftet«, sagte ich nunmehr. »Wo hat man sie hingebracht?«
    »Wirst du zu ihr gehen? Wirst du versuchen, mit ihr zu reden, sie von ihrem Entschluss abzubringen?«
    Seine Stimme klang nahezu bettelnd.
    »Wo hat man sie hingebracht?«, wiederholte ich.
    Endlich sagte er es mir, und ich erschauderte.
    Es war dunkel, der Rauch verbarg die Flammen, die ihn spuckten, unter seinem schweren, dreckigen Schleier. Kaum schien ein rötliches Flackern hindurch; es war nicht stark genug, um mir den Weg zu weisen, malte einzig Schatten auf die Wände, die in diesem unruhigen Licht nicht aus Stein erbaut schienen, sondern aus Nebel.
    Eusebius hatte mich bis vor den Eingang begleitet, mich hier einem Wärter überlassen, dessen Gesicht ganz hinter zotteligem Haar verborgen war, sodass man von der Ferne nicht erahnen mochte, ob er einem den Rücken oder das Gesicht zuwandte.
    Ich weiß nicht, welche Unglücklichen in diesem Gefängnis – ein unterirdischer Teil des Palastes des Proconsuls – ausharrten, von der Welt fortgesperrt, vielleicht gefoltert, vielleicht darauf wartend, dass man sie hinrichten würde. Mehr Höhle denn Gebäude schien jenes Loch zu sein, in Zeiten entstanden, da aufrührerische Einheimische sich gegen die römischen Besatzer erhoben hatten und entweder getötet oder eingesperrt oder versklavt worden waren.
    Ich hatte Eusebius darum gebeten, mich allein diesen Weg gehen zu lassen. Ich wollte seine verzweifelte Stimme nicht im Ohr haben, wenn ich Julia gegenübertrat.
    Warum ich es überhaupt tat?
    So zielsicher war ich hierhergekommen, dass ich heute gar nicht mehr zu sagen vermag, ob es aus eigenem Willen geschah (der doch stets so zerrissen war, wenn es um Julia ging) oder weil ich mich von Eusebius dazu gedrängt fühlte, weil ich Mitleid mit ihm hatte. Ich weiß nicht mehr um meine wahren Gefühle, denn an dieser Stelle scheint mein Gedächtnis so grau verhangen, so niedrig, so beengend wie jene Kerkerhöhle.
    Ich ging mit gesenktem Kopf. Ich wollte nicht zu viel sehen, auch nichts hören.
    Nur diesen einen Laut

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