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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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hätte man ein Stück Stoff mehrmals um ihr Haupt geschwungen – und damit beschäftigt waren, vielerlei Waren anzupreisen oder herzustellen: bemalte Kacheln, schöne Kleider aus Wolle, Leinen und Seide, kunstvolle Gefäße aus Messing und Bronze, Bücher mit Einbänden aus Leder.
    Damals, als sie von Akils Herkunft erfahren hatte, war Caterina entsetzt gewesen, mit einem leibhaftigen Heiden zu sprechen, doch auf dem Schiff hatte es so viele andere Ängste, Bedrohungen und Gefahren gegeben, dass sie schließlich viel zu froh über die Nähe und Freundlichkeit des stillen Jungen war, um beides nicht dankbar anzunehmen. Nie war er zudem durch sonderliche Gebräuche aufgefallen, nur durch seine hölzerne Sprache, sodass die Tatsache, dass er ein Ungetaufter war, nicht ins Gewicht fiel und seine Fremdartigkeit bald alltäglich wurde.
    Jetzt, in dieser unbekannten Welt, ging ihr auf, dass sie selbst nicht minder andersartig war als er, gleich ihm eine Fremde, in diesem Tumult aus dunklen Händlern vielleicht sogar noch auffälliger als er. Jener Eindruck war’s, der sie nicht nur dazu verführte, ihm neugierig in seine Welt zu folgen, wo neben den Muslimen im Übrigen auch Juden lebten – die bösen Gottesmör- der aus den Erzählungen ihrer Kindheit, hier einfach nur Männer mit seltsam gekringelten Locken und runden Kopfbedeckungen –, obendrein fragte sie Akil zum ersten Mal nach dessen Glauben.
    »Was willst du wissen?«, fragte er erstaunt.
    »Ich habe gehört«, murmelte sie, »dass alle Heiden gottlos sind. Ist das wahr?«
    Er schüttelte verständnislos den Kopf, erzählte, dass er an Gott glaubte, dass dessen Name Allah wäre, desgleichen, dass es eine Heiligen Schrift, den Koran, gäbe, der dem Propheten Muhammad mit Hilfe des Erzengels Gabriel direkt von Allah eingegeben worden war. Außerdem sprach er vom Willen der Gläubigen, sich ganz dem Antlitz Gottes zu verschreiben und solcherart echten und wahren Frieden zu finden, ganz gleich, was geschähe und welche Prüfungen der Allmächtige, der nicht immer gerecht und barmherzig, sondern oft schlichtweg undurchschaubar handle, dem Menschen aufgebe. Wer diesen Prüfungen standhalte, ihnen tugendhaft begegne, indem er Weisheit und Enthaltsamkeit, Mut und Gerechtigkeit an den Tag lege, der erführe zur Belohnung Glückseligkeit, Gottesnähe und den Eintritt in das Paradies.
    Er endigte seufzend, und auch Caterina seufzte, nicht weil sie ihn restlos verstand, sondern weil seine Worte an etwas rührten, das sie beschädigt wähnte. Plötzlich neidete sie es ihm, dass er hier unter seinesgleichen war, zwar fremd, aber sein Bekenntnis teilend. Sie hingegen war allein, vielleicht nicht mit dem Bekenntnis, aber mit so vielen Fragen, die seine Worte in ihr aufrührten: Wie stand es mit ihrer Pflicht, den Schatz ihrer Familie an einen würdigen Bestimmungsort zu bringen? Was war davon zu halten, dass diese Pflicht ihr manches Mal so gleichgültig geworden schien? Wie tief ging der Schrecken noch, dass ihr Vater womöglich aus ketzerischem Hause stammte, oder war jener nicht längst von anderem Schrecken übertroffen worden?
    Sie konnte mit niemandem darüber sprechen, weder mit Ray noch mit Gaspare, doch jetzt dachte sie, dass Akil sie verstehen würde, dass sie mit ihm bereden könnte, wie man weiterlebte, wenn man nicht nur der Familie entrissen worden war, sondern auch sämtlicher vertrauten Ordnung des Lebens, wenn man um Standfestigkeit ringen musste, ohne zu wissen, auf welchem Fleckchen Erde jemals wieder Stand zu finden sein würde.
    »Wenn wir Geld hätten«, murmelte er indes wehmütig, ehe sie aussprechen konnte, was ihr auf der Seele lastete, »so könnten wir bei einem der Händler etwas kaufen; es ist bei uns Sitte, dass jene ein heißes Gesöff anbieten, welches aus frischer Minze gebraut ist ...«
    Caterina wich den Stößen aus, die manch einer austeilte, um leichter durch das Gewühle zu kommen.
    »Was wirst du eigentlich tun, wenn Gaspare dich freilässt?«, fragte sie und musste schreien, damit er sie verstand. »Wirst du nach Collo zurückkehren, obwohl du nicht weißt, was dich dort erwartet? Wirst du nacH deiner Familie suchen? Oder wirst du in einem anderen Land, wo deinesgleichen leben, neu beginnen?«
    Akil zuckte die Schultern. Eigentlich hatte sie die Frage ohnehin an sich selbst gestellt: Wo war ihre Heimat, wenn Gaspare sie tatsächlich eines Tages freilassen würde? Wo war auf dieser Welt ihr Platz, nach dem, was ihr widerfahren war –

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