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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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bringen?
    Nun schenkte jeder weitere Atemzug keine Erleichterung, sondern unerträgliche Anspannung, vergebliches Hoffen auf Schritte und unerträglichen Durst.
    In dem kleinen Gefängnis kühlte es merklich ab, ein Zeichen, dass die Nacht angebrochen war, und wärmte sich schließlich wieder auf, als es Morgen wurde. »Hier«, murmelte Akil und reichte ihr etwas. »Nimm den
    Stein und lutsche daran. Das vertreibt den Durst.«
    Wiewohl sie den Hanfsack, der ihr über den Kopf gestülpt worden war, weggezogen hatte, vermochte Caterina von dem Knaben nicht mehr zu sehen als seine Konturen. Auch die Wände des Raums ließen sich nicht erkennen, nur ertasten. Sie schienen weder aus Stein noch aus Holz errichtet worden zu sein.
    »Es fühlt sich nach Lehm an«, murmelte Akil, »oder vielleicht ist’s Erde. Wahrscheinlich sitzen wir gar nicht in einem Raum, sondern in einem Erdloch! «
    »Aber warum?«, rief sie aus. »Warum?«
    »Dass man uns in Ruhe lässt, kann nur eines zu bedeuten haben ...«, setzte Àkil schaudernd an.
    »Was meinst du?«
    »Wollte man uns auf einem Sklavenmarkt verkaufen – man hätte uns dorthin gebracht, nicht hierher. Ich kann mir auch nicht denken, dass man uns dann auf offener Straße geraubt hätte. Und würde es jemanden danach gelüsten, uns Gewalt anzutun – nun, worauf sollte dieser dann warten? Wer immer uns das antat, dem lag nicht sonderlich viel an uns persönlich, sondern vielmehr ...«
    Er sprach nicht weiter, aber Caterina erahnte, was er sagen wollte.
    »Wird Gaspare uns suchen?«, flüsterte sie. »Wird er versuchen, uns zu retten?«
    Akil zuckte mit den Schultern. Auch er hatte sich mittlerweile aus dem Hanf sack befreit. »Ich hoffe es.«
    Mehr sagte er nicht, zumindest nicht zu ihr. Er begann etwas zu murmeln, mehr ein Singsang als Worte, offenbar in jener fremdländischen Sprache, mit der er aufgewachsen war. Vielleicht betete er, vielleicht sollte sie das auch tun.
    Sie verschränkte die Hände ineinander, schmerzhaft fest; ihre Fingernägel stachen ins Fleisch.
    Allmächtiger!, dachte sie verzweifelt. Allmächtiger, hilf mir!
    Aber es kamen keine Worte über die Lippen. Sie schloss ihre Augen; es wurde schwarz in ihr und still. Sämtlicher Frieden, den sie fand, leise, besänftigend und zugleich merkwürdig kahl, weil keine echte Tröstung verheißend, kam nicht von ihr, sondern von Akils Gemurmel. Sie wollte es nicht unterbrechen, nicht übertönen, nicht einmal in ihren Gedanken, die gleichfalls verstummten, sich einzig auf jenen Singsang ausrichteten.
    Es störte Caterina nicht, dass sie ihn nicht verstand; sie war vielmehr froh, dass sie ihn nicht verstehen musste, nicht zu deuten hatte, einfach nur lauschen konnte, ganz ohne eigene Anstrengung.
    Mehr und mehr sackte sie in sich zusammen, wäre fast eingeschlafen, doch mitten in Akils beschwichtigendes Gemurmel tönte plötzlich ein schriller Laut.
    Stimmen. Es waren Stimmen, aufgeregt und ärgerlich und diesmal in einer Sprache, die sie verstand.
    »Wo sind sie? Wohin hast du sie gebracht?«, tönte es wild.
    »Gemach, gemach«, kam es beschwichtigend. »Willst du dich nach dem langen Marsch hierher nicht erst ausruhen? Gerne biete ich dir etwas zu trinken an ...«
    Caterina fühlte, wie ihr Mund noch trockener wurde.
    »Ich habe dir schon einmal gesagt: Vergreife dich nicht an meinem Eigentum!«
    »Gewiss doch! Ich hab wohl verstanden, dass dir viel an dem Mädchen liegt, Gaspare! Wenngleich mich doch ein wenig erstaunt, dass du die Frauen nun endlich für dich entdeckt hast. Ich kann es kaum glauben, nach allem, was man über dich hörte in den letzten Jah ...«
    »Wo sind sie?«
    Das Licht traf Caterina so plötzlich wie ein Schlag. Es kam von oben, bestätigte Akils Vermutung, wonach sie in einem Erdloch gefangen gewesen waren. Obwohl Caterina zu erkennen suchte, was hier geschah, schützte sie sich doch unwillkürlich vor der Sonne, indem sie die Hände über die Augen schlug. Nur durch die schmalen Ritzen ihrer Finger erkannte sie eine Gestalt, groß und mächtig. Sie beugte sich zu ihr herunter, hob sie hoch, als hätte sie nicht mehr Gewicht als ein Kätzchen. Sie schrie verzweifelt auf, versuchte dagegen anzukämpfen, obwohl sie wusste, dass es sinnlos war. Die fremde Gestalt trug sie ohnehin nicht lange. Kaum aus dem Erdloch hochgehoben, wurde sie bereits losgelassen und fiel erneut schmerzhaft auf steinigen Boden. Das Licht blendete sie immer noch, und alles, was sie sah, schien weißlich verfärbt und

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