Die Tochter des Ketzers
nicht zurück, blickte fast mitleidig auf sein Opfer herab, und während der letzten Zuckungen seines Todeskampfes strich er ihm sogar über das Haar, sanft, beruhigend.
Schließlich erstarrte der Körper, kippte nach vorne. Das Blut fraß sich in den erdigen Boden und verdunkelte sich dort.
»Bist du wahnsinnig geworden?«
Gaspare starrte auf den Toten. Caterina auch. Gleichwohl er einen grausigen Anblick bot, hatte sie ihren Blick nicht von dem Sterbenden lösen können, so wie Akil es getan hatte, der seine Fußspitzen anstarrte.
»Bist du wahnsinnig geworden?«, rief Gaspare noch einmal.
Ramón blickte auf, jetzt ganz ohne Hast, unendlich langsam. »Schade um den Jungen«, murmelte er mit ehrlichem Bedauern. Dann wandte er sich an seine Männer. »Ihr könnt sie nun freilassen.«
Caterina und Akil wurden an den Schultern gepackt, nach vorne gezerrt, direkt vor Gaspares Füße gestoßen. Akil ließ es willig über sich ergehen, Caterina wie erstarrt. Sie ahnte, dass alles, was hier geschah, einem dunklen, gemeinen Plan folgte – aber noch wusste sie ihn nicht zu deuten.
Gaspare schien dessen Sinn eher zu erfassen, denn plötzlich wurde er noch bleicher im Gesicht.
»Du hast mich in eine Falle gelockt! «, kam es fast tonlos über seine Lippen.
Ramón war über die dunkle Blutlache gestiegen. Nun trat er gemächlich zu dem Leichnam zurück, bückte sich – schwerfällig, wie es ihm sein dicklicher Körper befahl – und zog mit einem Ruck den Pfeil aus der zerschundenen Kehle.
Wieder ein gurgelndes Geräusch, nur diesmal bar des verzweifelten Hustens und Schluckens.
Unwillkürlich schlug Caterina ihre Hände auf den Mund und war erleichtert, dass sie über Stunden nichts zu essen und zu trinken bekommen hatte. Es fehlte ihr der Mageninhalt, um sich zu übergeben.
»Wie gesagt, schade um den Jungen«, erklärte Ramón. Das Bedauern schwand aus seinem Blick; er wurde spöttisch. »Ich hätte ihm solch übles Geschick gerne erspart, hätte alles getan, um ihn zu retten. Aber leider konnte ich mich gegen deinen gemeinen Angriff nicht zur Wehr setzen, Gaspare. Du und deine
Männer waren eindeutig in der Überzahl, als ihr mich überfallen habt. Ich wusste schon immer, dass du unberechenbar bist. Nur hat niemand auf mich gehört, und so musste ich am eigenen Leib erfahren, wozu du fähig bist. Ein lächerlicher Streit um ein unscheinbares Mädchen. Und schon beschießt du mich und meine Männer mit deinen bösen Pfeilen!«
Er verschränkte seine Arme über der Brust.
»Solche Verleumdung wagst du nicht!«, fauchte Gaspare.
»Weißt du, die Wahrheit ist schlicht: Ich will dich nicht auf Malta haben. Die Insel ist zu klein für uns beide. Ich konnte dich nie leiden, schon früher nicht, und noch weniger, nachdem du mir diese kleine Meerjungfrau weggeschnappt hast. Übrigens bin ich ein fairer Mann: Ich habe sie nicht angerührt. Ich überlasse sie dir gerne – wo ich dir doch alles andere genommen habe.«
»Damit kommst du nicht durch!«
»Ach nein? Ist dies nicht dein Silberpfeil? Und können es nicht sämtliche meiner Männer beschwören, dass du ihn abgeschossen und einen der ihren tödlich verwundet hast? ... Oh ... ich vergaß zu erwähnen, wer da vor uns auf dem Boden liegt. Armer, armer Junge.«
Er beugte sich nicht noch einmal zu ihm nieder, trat stattdessen mit dem Fuß gegen den langsam erkaltenden Leib und rollte ihn damit zur Seite. Blicklos starrten die toten Augen ins gleißende Sonnenlicht; um die tiefe Wunde in der Kehle begannen schwarze, fette Fliegen zu surren.
»Er ist der Neffe eines Mannes, den du gut kennst, Gaspare. Ich glaube, unter allen Gefolgsleuten von König Pere ist er derjenige, der dich am wenigsten leiden kann. Er hat ihn mir anvertraut, weil er zwar einen rechten Mann aus ihm machen wollte, aber weil es ihn doch zu gefährlich deuchte, ihn auf seine gewaltsamen Raubzüge mitzunehmen. Nun, leider war der arme Junge auf Malta nicht so sicher, wie er’s erhofft hat. Wenn er zurück- kommt und vom grausamen, sinnlosen Tod seines Neffen erfährt ... und wenn er erst dem König davon berichtet. Ich glaube, jener hat den Jungen auch gekannt und schien ihn zu mögen ...«
»Du bist nichts als ein Stück Dreck, Ramón!«
Der andere stritt es nicht ab, sondern nickte wissend. »Das weiß ich sehr wohl. Ich habe oft genug in den Spiegel gesehen. Aber wenn Gott mich schon mit Hässlichkeit gestraft hat, so heißt das nicht, dass ich sonst alles dulden muss, was Er nach
Weitere Kostenlose Bücher