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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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nicht mit ihnen gegangen?«, fragte ich.
    Ich konnte den Laut nicht deuten, der kurz und heftig über ihre Lippen trat. Vielleicht war es ein spöttisches Lachen. Vielleicht der Ausdruck von Verachtung für die anderen, wiewohl sie diese – aus Respekt vor einem Mann wie Quintillus, der erfahren genug war, um zu wissen, was er tat – nicht in Worte fassen wollte.
    »Ich fürchte den Tod nicht!«, erklärte sie heftig. »Er hat keinen Stachel mehr. Wir wurden mit Gott versöhnt durch den Tod seines Sohnes, und genauso werden wir gerettet durch seine Auferstehung.«
    Ich schüttelte langsam den Kopf.
    »Du musst an deinen Vater denken, hast du denn kein Mitleid mit ihm?«
    »Mein Vater kann mir nicht schenken, was Gott mir gibt.«
    »Aber was ist das, Julia, was?«
    Ich sprach ihren Namen aus, so wie sie es immer gewollt hatte – und so wie sie meinen stets nannte.
    »Mein Gott würde auch dich beschenken, Krëusa«, sagte sie. »Die Welt missachtet dich; für die meisten Menschen bist du nichts als ein unwichtiges, kleines Sklavenmädchen, das, wenn es stürbe, schon am nächsten Morgen vergessen sein würde. Aber mein Gott vergisst dich nicht. Ihm ist es gleich, ob du Sklavin oder Freie bist, ob Mann oder Frau, ob arm oder reich. Mein Gott sieht dich, wie ich dich gesehen habe. Er ruft dich bei deinem Namen, hörst du ihn denn nicht?«
    Die Brust wurde mir eng, ich weiß nicht, ob von ihren Worten oder von der bedrückend schweren Luft. Was schert mich dein Gott, wenn ich doch Gaetanus will, wollte ich rufen, doch nichts dergleichen trat über meine Lippen.
    »Du darfst nicht sterben«, flehte ich stattdessen. »Du darfst nicht sterben! Das Leben ist doch schön, für dich zumindest könnte es das sein; du bist jung, du bist eine vermögende Frau ...«
    Kurz hatte sie mir lächelnd zugehört. Dann schüttelte sie heftig den Kopf »Mein Reichtum ist nicht von dieser Welt, Krëusa.«
    »Aber«, fragte ich, »aber du ... du besitzt doch noch diesen Schatz? So ist es doch, oder?«

Kapitel XIX.
Korsika, Sommer 1284
    Caterina schlug die Augen auf.
    Etwas hatte sie geweckt, ein Geräusch, so störend laut, dass es bis in die Tiefen jenes Schlundes vorgedrungen war, in dem sie steckte, schließlich sogar dessen Grund erreichte, wiewohl sie vermeint hatte, die Schwärze wäre so bodenlos wie das unheimliche Meer. Es leckte noch an ihr; sie fühlte, wie Wellen sachte über ihren Füßen zusammenschlugen. Aber ihre Hand ruhte auf Sand, grobkörnig und klamm.
    Erleichtert schloss sie die Augen wieder, nickte ein, wurde erneut gestört. Diesmal war es leichter, die Laute zu beschreiben.
    Marktfrauen, dachte sie. Es klingt wie das Gezeter von Marktfrauen, schrill ... und lästig.
    Stöhnend versuchte sie sich aufzurichten, fühlte den ganzen Körper erbeben, als würde er noch auf der See herumtreiben und von Wellen geschüttelt. Ein dumpfer Schmerz durchzuckte ihr rechtes Bein, und mit ihm kehrte die Erinnerung wieder, in hektischen, kurzen Bildern, abgehackt und ohne Reihenfolge. Akil ... ins Wasser springend. Sie ... in jenes Boot gekauert. Ray ... wie er aufs schwarze, unergründliche Meer starrte und sich nicht aufraffen konnte hineinzuspringen.
    Das Ufer ... der Strand ... die Insel. Warum kreischten die Marktweiber fortwährend, anstatt sie in Ruhe über alles nachdenken zu lassen?
    Sie versuchte den Mund zu öffnen, ihnen etwas zuzurufen. Dass sie ihr Maul halten sollten. Dass sie schlafen wollte. Sie war so müde, so müde.
    Es kam kaum mehr als ein Krächzen heraus. Die Lippen fühlten sich zerschunden an, die Zunge trocken und geschwollen, die Kehle verätzt vom salzigen Wasser, das nun auch in den Augen brannte.
    Das Gezeter der Marktfrauen hielt an, aber ihre Ohren wurden taub dafür. Wie bin ich auf diesen Markt geraten?, dachte sie noch, dann wurde ihr wieder schwarz vor Augen.
    Als sie zur Besinnung kam, zeterten die Marktfrauen immer noch. Freilich stellte sich bei genauem Hinhören heraus, dass die Stimmen zu tief und dunkel waren, um Weibern zu gehören. Wieder öffnete Caterina die geschwollenen Augen, wieder tasteten ihre Hände nach dem Boden, fühlten Staub, sehr viel Staub. Ach nein, es war kein Staub, es war Sand, das hatte sie bereits festgestellt.
    Sie lag auf festem Grund ... und sie war nicht allein. Irgendjemand war in ihrer Nähe, man schrie und stritt.
    Diesmal klang das Gezeter vertraut.
    »Du hast sie losgelassen! Du hast dich nicht um sie geschert, sondern sie einfach ersaufen lassen! Ach,

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