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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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sie sich festhielt, war heil geblieben, trieb auf der Oberfläche.
    Nicht loslassen!, dachte sie wieder. Sie versuchte sich umzudrehen, zu erkennen, was ihr Bein verletzt hatte, doch sie erblickte nur Wasser, kaltes, schwarzes, welliges Wasser. Das kleine Boot war ebenso entzweigebrochen wie der Rumpf des Schiffes, und während die vordere Hälfte ihren Oberkörper trug, hingen ihre Beine ins Meer. Sie strampelte, was den heftigen Schmerz verstärkte. Verzweifelt stöhnte sie auf.
    Nicht loslassen, dachte sie wieder. Ich darf nur nicht loslassen ...
Corsica 251 n.Chr.
    Julia erholte sich schneller von dem Schrecken als ich. Jener überkam mich erst jetzt, da es vorüber war, verwischte die letzten Spuren des Hohns. Kraftlos sank ich auf meine Knie – wohingegen sie sich schon wieder aufrichtete und hastig den Stoff ihres Kleides über ihren Leib zog. Ihre Bewegungen waren entschlossen und kraftvoll, nur ihre Stimme zitterte ein wenig.
    »Hab Dank, hob Dank, dass du mich gerettet hast«, wiederholte sie wieder und wieder. Das, was folgte, ging verwirrend durcheinander, einzelne Worte, die sich nicht zu Sätzen fügten. »Der Leib ... die Schale des Geistes ...zu Bruch gegangen ... der Geist ist verloren.« Und wieder: »Hab Dank, Dank ... für die Rettung, hab Dank.«
    Sie seufzte, rieb sich die Augen. Ob sie weinte?
    Ich wünschte es mir. Es hätte sie mir nähergebracht, obwohl ich mir gar nicht gewiss war, ob und warum ich das wollte. Vielleicht weil es ein Band gab, viel stärker als meine Eifersucht, mein Befremden, mein Unbehagen, viel stärker als mein Verrat – gezeugt von der Tatsache, dass sie es war, die mich immer gesehen, die mich beim Namen gerufen hatte?
    »Das hätte nicht geschehen müssen ...«, setzte ich mit zittriger Stimme an.
    »Der Leib ist das Gefäß unseres Geistes. Wir müssen es rein halten, heiligen.«
    Ich nickte, als würde ich verstehen, was sie meinte. Die Wahrheit war – ich verstand es nicht –, und kurz fragte ich mich, ob ich ihr mit meinem Einsatz eben tatsächlich geholfen und ihre Lage nicht womöglich verschlimmert hatte. Es war keine Genugtuung, die mich bei der Vorstellung befiel, die Männer hätten sie schänden können. Ich dachte vielmehr, dass es sie vielleicht hätte retten können, zumindest ihr Leben. Beschmutzt, erniedrigt hätte sie vielleicht jene Entschlossenheit verloren, mit der sie den Tod suchte.
    Nur – was wäre dann von ihr übrig geblieben? Wie viel von ihrer Stärke? Wie viel von ihrer Besonderheit?
    Jene Stärke schien sie nun wiedergefunden zu haben.
    »Fabianus ist tot«, sagte sie plötzlich.
    »Wer ist das?«
    »Man nennt ihn Episkopos. Er ist der Bischof von Rom. Das ist ein ähnliches Amt, wie Quintillus es hier bekleidet. Oder wie jener Pontianus, der gemeinsam mit dem Priester Hyppoli-tus einst von Kaiser Maximus Thrax nach Sardinien deportiert wurde, weil er nicht von seinem Glauben ablassen wollte. Sie mussten in den Minen hart schuften, aber sie haben ihr Los ertragen, dazu auserwählt, den Glauben auf den beiden Inseln zu verkünden oder dort zu stärken, wo er schon die ersten Anhänger gefunden hatte.« Ihre Stimme, bislang nüchtern, wurde bei den folgenden Worten hitziger. »Dieser Pontian hat nicht gezögert, für seinen Glauben einzutreten, und Fabianus war sogar bereit, für diesen Glauben zu sterben. Schon vor einem Jahr wurde er hingerichtet – wir haben es erst jetzt erfahren. Kaiser Decius hat das sehr erbost. Es heißt, er habe gesagt: ›Lieber will ich hören, dass mir ein Rivale den Thron streitig macht, als dass es noch einmal einen Bischof von Rom gibt. ‹ Aber es wird wieder einen geben, glaube mir, das wird es – wenn wir uns nur nicht verängstigen lassen, wenn wir nicht zögern, auf Gott zu vertrauen, wenn wir geradestehen für ...«
    »Was ist mit Quintillus geschehen, was mit Marcus?«, unterbrach ich sie, von ihrer entschlossenen Rede nicht nur verstört, sondern irgendwie verärgert, als raubte sie mir solcherart viel zu verfrüht den Triumph, mich ganz kurz als die Stärkere gefühlt zu haben.
    »Sie sind ins Landesinnere geflohen«, antwortete sie abfällig. »Die Römer scheuen die Berge. Und es gibt hier viele Menschen, die die Römer hassen und froh sind, wenn sie Verfolgte unterstützen können.« Jetzt erst hörte sie auf, an ihrer Kleidung zu zupfen. Wiewohl zerfleddert, bedeckte die Tunika ihre Blöße. Sie trat dichter zu mir her, und ich roch noch die Spuren des Angstschweißes.
    »Warum bist du

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