Die Tochter des Ketzers
letzten Worte verkündeten Lob, aber klangen nicht so.
Immer wieder drangen Wortfetzen an sie heran, die sie beim ersten Hören von keifenden Marktfrauen zu stammen wähnte und die von einem fortwährenden Streit kündeten. Mochte der Anlass dafür auch nicht mehr der sein, dass sie selbst ertrunken war – Ray und Gaspare blieben sich doch spinnefeind.
Indessen Ray einen Teil seines Gewandes in kleine Streifen riss und ihr verwundetes Bein damit bandagierte, war Gaspare offenbar die Aufgabe zugefallen, nicht nur frisches Wasser zu besorgen, sondern auch etwas zu essen. Er versuchte sich im Fischfang – doch dessen Ergebnis stimmte Ray nicht minder mürrisch als Gaspares Trachten, Feuer zu machen.
»Soll das ein Fisch sein?«, hörte Caterina ihn schimpfen. »Da ist ja überhaupt kein Fleisch dran! Ha! Und Feuer kannst du noch weniger machen! Kommst mir vor wie Meeresgetier, das japsend gestrandet ist und hier nun nicht überleben kann.«
Gaspare antwortete diesmal nicht, sondern starrte ihn nur finster an.
Caterina fröstelte. Blinzelnd erkannte sie, wie Ray trockenes Holz, das Gaspare offenbar vom Landesinneren zusammengetragen hatte, aufeinanderschichtete, mit ausgedörrten Blättern bedeckte und mit Steinen stützte. Dann ließ er einen der Holzstäbe blitzschnell zwischen den Händen zwirbeln. Sobald eine verheißungsvolle Rauchsäule hochstieg, blies er heftig, und nach einer Weile knisterten tatsächlich erste blaue Flämmchen und wuchsen rasch zu einem rot-gelben Meer.
»Siehst du!«, höhnte er in Gaspares Richtung. »So macht man das!«
Gaspare zuckte nur mit den Schultern. Dass sich ihre Rollen vertauscht hatten, auf fremdem Boden nicht länger er der Herr über die Lage war, wie er es unzweifelhaft auf dem Schiff gewesen war, und stattdessen Ray mit seiner vielfältigen Erfahrung auftrumpfte, wie der Überlebenskampf zu gewinnen sein würde, deuchte ihn keinen Kommentar wert zu sein.
»Wir können hier nicht bleiben«, meinte er schließlich, »ich sollte nach meinen Männern suchen, obwohl die wahrscheinlich denken, ich sei tot, und sich wohl in alle Winde verstreut haben – gesetzt den Fall, sie sind nicht ersoffen ...«
Diesmal befand sich Ray im Nachteil. Es dauerte eine Weile, ehe er sich die Frage abrang: »Wo sind wir hier überhaupt?«
Anders als Ray zeigte Gaspare keinen Triumph, dem anderen etwas an Wissen oder Fertigkeit voraus zu haben. »Ich wollte an der Westküste an Land gehen, doch wir sind zu weit östlich abgetrieben. Und dann kam der Angriff ... Kann nicht sagen, wo wir gestrandet sind. Vielleicht bei Mariana, vielleicht schon am Cap Corse, vielleicht weiter südlich, bei Aleria oder an der Spitze der Insel, wo sich Bonifacio befindet.«
»Ist das gut oder schlecht?«, fragte Ray, steckte den mageren Fisch auf ein Holzstäbchen und hielt ihn übers Feuer.
Gaspare blickte zuerst in die eine, dann in die andere Richtung. Trotz der anhaltenden Schmerzen in ihrem Bein versuchte Caterina, sich aufzurichten und es ihm gleichzutun.
Sie sah nicht viel mehr als den Strand, nicht gerade, sondern eine kleine, runde Bucht, begrenzt von Bäumen und Sträuchern, die von schwarzen Mückenschwärmen umsurrt wurden. Der Himmel war diesig, das Meer spiegelte sein ödes Grau.
»Akil meinte, dass Korsika geteilt ist«, warf sie ein, dachte erstmals, seit sie aus der Ohnmacht erwachte, an den Knaben und wünschte sich von Herzen, er hätte – gleich ihnen – das sichere Ufer erreicht. »Denkst du, dass wir im genuesischen oder pisanischen Bereich gelandet sind?«
Gaspare zuckte die Schultern. »Aleria ist pisanisch, Mariana nicht. Calvi und Saint Florenz ebenso wenig. Diese Orte liegen freilich an der Nordküste. Um Bonifacio, das die Genuesen einst befestigt haben, wird fortwährend gestritten. Ich habe gehört, die korsischen Adeligen und Stammeshäuptlinge schlagen sich mal auf die eine, mal auf die andere Seite, je nachdem, wie’s ihnen selbst zugutekommt. Ich habe keine Ahnung, wie’s im Moment steht.«
»Großartig!«, zischte Ray. »Was willst du nun tun?«
Gaspare warf ihm einen grimmigen Blick zu, aber antwortete dann doch: »Ich werde morgen aufbrechen, werde versuchen herauszufinden, wo wir uns befinden. Vielleicht ... vielleicht können wir uns später nach Ajaccio durchschlagen, und dort schließlich leben Menschen, die ich kenne.«
Sprach’s und wandte sich ab, ohne auf Rays Zustimmung zu warten. Unwillkürlich ballte jener seine Hand zur Faust und hob sie drohend
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