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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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konnte, tastete den rauen Boden ab. Das spitze Holz stach in ihre Hände, sie merkte es kaum. Jede kleinste Faser, jede Ritze schien tauglich, sich daran festzukrallen – doch mit dem nächsten Stoß wurden sie wieder durch den ganzen Raum geschleudert. Diesmal stieß sie mit dem Kopf gegen eine der Wände, vielleicht war es auch die Decke oder der Boden. Während sie lag und es kurz finster um sie wurde, wusste sie nicht mehr, wo oben und unten war.
    »Caterina!«
    Ray kroch zu ihr, presste ihr etwas in die Hand, das nicht minder rau als der Boden war. Es riss ihre Hände noch mehr auf. Caterina stöhnte.
    »Ich hab ein Tau gefunden, du musst es festhalten, lass es nur nicht los!«
    Sie tat es, ohne zu verstehen, welchen Sinn das haben sollte. Wenn sie sich nirgendwo festhalten konnte – wo wollte er dann das Tau anbinden?
    Beim nächsten wuchtigen Stoß freilich krampfte sie trotzdem ihre Hände so fest darum, dass sie ertaubten. Das Knirschen, das diesmal ertönte, kam nicht vom tiefen Schiffsbauch, sondern unmittelbar rechts von ihr.
    »Vorsicht!«, schrie Ray. Sie duckte sich, ohne das Tau loszulassen. Eben noch hatte es sich gespannt und Halt geboten, nun wand es sich wie eine Schlange. Caterina fühlte, wie Rays Hände sie umfingen, versuchten, sie von irgendeiner Gefahr wegzuzerren. Wieder rutschte ein Schatten an ihr vorbei, nur nicht lautlos wie ein solcher, denn er traf krachend auf die Wand.
    »Das war die Tür«, erklärte Ray, »wir können raus.«
    Jetzt erst verstand sie, woran er das Tau festgemacht hatte. Anstatt ihnen Halt zu gewähren, hatte es ihr enges Gefängnis geöffnet.
    Geschrei schwappte von draußen herein, wieder jenes Zischen, wie es nur von Feuer kam, und kaltes, salziges Wasser. Feucht und glitschig war der Boden stets gewesen, doch nie hatte Caterina in einer solchen Lache gestanden. Für gewöhnlich wurde die Nässe, die von unten her hochstieg, von jenem Sand aufgesaugt, mit dem der Hohlraum unter dem Hauptmast vollgeschüttet war. Doch heute schien sie von allen Seiten zu kommen.
    »Hinauf!«, schrie Ray. »Wir müssen nach oben.«
    Er packte sie, zerrte sie hoch, hielt sich kurz am Türstock fest, um während eines neuerlichen Wankens des Schiffes Halt zu finden.
    Caterina folgte ihm blindlings, der einzige Gedanke, der ihr noch durch den Kopf hämmerte, war: Lass ihn nicht los, lass ihn nur nicht los!
    Stöße trafen sie. Von anderen Leibern? Von Kisten? Dann standen sie unter freiem Himmel, und kurz erhaschte Caterina ein wirres Bild vom Treiben auf dem Deck. Zwei der Armbrustschützen drehten sich in heller Aufregung im Kreis, schienen verzweifelt zu überlegen, in welche Richtung sie ihre Geschosse ausrichten sollten, insgeheim wohl ahnend, dass der unbekannte Feind mittlerweile wieder zu weit entfernt war und die übliche Taktik – die fremde Besatzung niederzumähen und dann deren Deck zu stürmen – nicht aufgehen würde. Einer der Matrosen indessen schüttete aus einer kleinen Ampulle Öl in die unruhigen, schwarzen Wellen und klagte dabei herzergreifend gen Himmel. Erst viel später, als dieser Augenblick längst vorüber war, begriff Caterina, dass er zu Gott gebetet hatte und die Flüssigkeit wohl ein heiliges Öl gewesen sein musste, wie es viele Seefahrer bei sich trugen, um sich das Meer gnädig zu stimmen.
    Jetzt freilich hatte sie andere Sorgen, als dies eigentümliche Verhalten näher zu ergründen.
    Wieder kaltes Wasser. Immer wieder geriet Caterina in große Pfützen, manchmal klatschte es auch auf ihren Kopf, und sie hielt die Luft an, um es nicht schlucken zu müssen. Kalt wie das Wasser war die Nachtluft.
    »Gott sei’s gedankt!«, hörte sie Ray murmeln und wusste nicht, welchen Umstand er meinte – dass sie im Freien waren. oder dass das Schiff nicht mehr gar so bedrohlich wankte. Kein lautes Knirschen ertönte mehr, nur das Züngeln von Flammen. Sie mussten vom Heck kommen, denn hier am Vorderschiff war nichts von ihrer Hitze zu spüren. Caterina drehte sich um, versuchte sich zu orientieren, merkte wieder, wie sie den sicheren Boden unter den Füßen verlor, diesmal nicht, weil das Schiff schaukelte, sondern endgültig in Schieflage kippte. Ihre Füße begannen zu rutschen, sie klammerte sich noch fester an Ray.
    »Willst du mich erdrücken?«, rief er aus, wiewohl er sie selber nicht minder hart packte.
    Dann noch eine Stimme. Ganz nah bei ihnen.
    »Caterina!« Es war Akil. »Wir sind in ein Gefecht geraten, sind angegriffen worden. Es war nicht

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