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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Hoffnungslosigkeit, das andere gleichgültig. Ihre Wunde verkrustete, das Fleisch darum herum glänzte nicht länger gefährlich rot, sondern matt. Aber sie konnte sich der Heilung nicht erfreuen. Wenn Gaspare feststellen würde, dass sie wieder unbeschwert laufen konnte – so würde er sie gewiss von diesem Ort wegbringen, und wie sollte Ray sie dann jemals wiederfinden? Aber würde er es überhaupt versuchen? Ach, wo war er nur, wo war er?
    Sie wünschte, sie hätte etwas zu tun – so wie Gaspare. Weiterhin übte er sich im Fischfang, und die Beute, die er so heranschaffte, war zwar meist grätiges Meeresgetier, aber ausreichend, um den schlimmsten Hunger zu vertreiben. Zudem suchte er den Strand danach ab, ob die Wellen etwas von seinem Schiff herangespült hatten. Anfangs fand er nur zersplitterte Holzteile, zwei Fässer, die in die Brüche gegangen waren und sämtlichen Inhalt an die See verloren hatten, schließlich aber auch Fetzen des Segels. Er riss den harten Stoff in Streifen, band sich selbst damit die zerfetzte Kleidung zusammen und gab auch ihr davon, damit sie es ihm gleichtun konnte.
    Caterina war dankbar für die Beschäftigung und dafür, dass sie nicht mehr in Fetzen laufen musste, gleichwohl die Luft sich rasch erhitzte, als sich am nächsten Tag der Dunst verzog und dahinter ein tiefblauer Himmel erschien.
    »Einen Eimer brauchte ich jetzt«, stellte Gaspare fest, »um Wasser zu holen.«
    Bis jetzt hatte er es nicht anders getan, als sein Hemd sich vollsaugen zu lassen und es – an den Strand zurückgekehrt – auszuwringen.
    Caterina blickte abschätzig auf das eine zerborstene Fass, das Gaspare eben hochhielt, um zu prüfen, ob es sich denn für diesen Zweck eignete. Caterina konnte sich nicht vorstellen, dass es taugte, gewiss waren die Ritzen nicht zu stopfen. Ray würde es vielleicht können, Ray wüsste, was zu tun war, aber Ray ...
    Sie seufzte.
    »Ich habe dir doch gesagt«, meinte Gaspare, der offenbar ihre Gedanken erahnen konnte, »dass er nicht zurückkommt.«
    Caterina zuckte zusammen. »Soll es mich trösten, dass du es wusstest – und ich vergebens auf Gegenteiliges hoffte?«, fragte sie gereizt.
    »Will doch nur sagen: Warum sich auf einen Taugenichts verlassen, der ...«
    »Soll ich mich etwa auf dich verlassen?«, fiel sie ihm scharf ins Wort.
    Er trat zu ihr her. Sein ansonsten bleiches Gesicht wirkte erstmals, seit sie ihn kannte, von der Sonne gerötet. Nur die Lippen waren bläulich verfärbt wie eh und je.
    »Ich werde versuchen, dich zu beschützen. Ich ... ich kenne dich nun. Ich werde nicht zulassen, dass dir je wieder Schlimmes zustößt.«
    »Ach ja?«, stieß sie bitter aus. »Ich dachte, du würdest alle Frauen hassen, sie würden dich anekeln.«
    »Das habe ich nie gesagt!«
    »Richtig, du hasst nur deine Mutter. Oder nein: Du würdest sie gerne hassen, aber du schaffst es nicht. Du hast dich ja trotz allem nach ihr gesehnt im finsteren Kerker.«
    Er wandte sich schweigend ab.
    »So solltest du eigentlich verstehen«, setzte sie bitter hinzu, »wie es mir mit Ray ergeht.«
    Ihre Stimme kippte.
    »Caterina, ich ...«
    Er hob beschwichtigend die Hände, wollte noch etwas sagen, legte dann plötzlich den Kopf schief, als würde er auf etwas lauschen. Hatte er etwas gehört? Menschenstimmen, Schritte?
    Es schien so. Rasch sprang er den kleinen Felsvorsprung hoch, der die Bucht abgrenzte, um mehr zu sehen, und Caterina rappelte sich ächzend hoch, um es ihm gleichzutun. Sie brauchte viel länger als Gaspare, um mit ihrem schmerzenden Bein voranzukommen. Als sie ihn endlich erreicht hatte, blickte er starr in eine Richtung.
    »Ray!«, rief Caterina.
    Die Worte erstarben ihr noch auf den Lippen.
    Ray war tatsächlich zurückgekehrt. Aber er war nicht allein, sondern in Gesellschaft eines Mannes, von dem sie gehofft hatte, sie müsste ihn ihr Leben lang nie wieder sehen. Jener schien sich ausschütten zu wollen – vor lauter Schadenfreude.
    »Ray, was hast du ...«, setzte sie mit schreckgeweiteten Augen an.
    »Was für ein Fang«, fiel ihr der Mann da bereits grinsend ins Wort, »was für ein Fang! Hätte es nie für möglich gehalten, dass du, Gaspare, mir doch noch mal ins Netz gehst!«
Corsica, 251 n.Chr.
    »Ja«, sagte Julia auf meine Frage hin, »ja, natürlich besitze ich meinen Schatz noch. Ich bin reicher als je zuvor, Krëusa. Denn mein Schatz ist mein Glaube. Du weißt, dass ich nicht von hier stamme, sondern aus Carthago, dort lebt ein Mann mit Namen

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