Die Tochter des Ketzers
Kopf. »Wie konntest du?«, zischte sie in Rays Richtung, der sie immer noch nicht anblickte. »Wie konntest du das tun?«
Er antwortete nicht.
»Freilich muss man genau bedenken«, fuhr Davide an seiner statt fort, »was man mit solchem Fang anstellt. Ein simpler Geist würde auf die Idee verfallen, dass man diesen Piraten den Genuesen ausliefert, weil er jenen schließlich am meisten zugesetzt hat und er folglich in ihnen seine strengsten Richter finden würde. Aber ich frage mich ... ich frage mich ...«
Seine Augen lösten sich von Caterina, blieben bei Gaspare hängen, der mit undurchdringlicher Miene geradeaus starrte.
»Nun, ich frage mich also ... hat dieser arme Mann nicht schon genug Zeit in einem Genueser Gefängnis verbracht?«
Er lachte trocken.
»Also dachte ich, wir sollten die korsischen Verhältnisse für meine verdiente Rache nutzen, und jene sind etwas verwirrender als auf dem Festland. Lasst es mich euch erklären, wir haben schließlich alle Zeit der Welt, oder, Gaspare? Du hast doch gewiss keine anderen Pläne!« Er lachte bissig. »Die Sache ist die ... mhm ... ich muss eben kurz nachdenken, wir wollen ja nichts durcheinanderbringen, auch wenn unser lieber Gaspare bald Zeit genug haben wird, darüber in Ruhe nachzudenken ... Die Sache ist also die: Es gibt hier einen Mann, welcher Giudice de Cinarca heißt, manche nennen ihn auch Sinucello della Rocca. Er stammt aus einer reichen Gutsherrenfamilie, ist als junger Mann zur pisanischen Armee gegangen und hat von Pisa den Titel des Richters erhalten sowie den Auftrag, möglichst viel Land auf Korsika, das sich die Genuesen angeeignet hatten, für Pisa zurückzuerobern. Was immer er von den Pisanern gelernt haben mag, Treue gehörte nicht dazu, denn schließlich ist er von Genua bestochen worden und übergelaufen, offenbar, weil er sich von dort noch mehr Macht und noch mehr Land versprach. Diese Macht hat er dann genützt, um grausam zu knechten, wir ersparen uns die Einzelheiten – das übrigens nicht immer zum Wohlgefallen der Genuesen. Die wollten ihn wieder loswerden, woraufhin Cinarca – jetzt war er es ja schon gewohnt, wortbrüchig zu werden – nach Pisa floh. Amüsanterweise nahm man ihn dort wieder auf, anstatt ihn als Verräter aufzuhängen, weil man sich vor Genua keine Blöße geben wollte. Nun, aber Genua wollte das auch nicht – nämlich sich eine Blöße geben – und forderte Cinarca auf, den Treueid einzuhalten, den er geleistet hatte. Was Cinarca freilich verweigerte, und was die Pisaner ihm wiederum dankten, indem sie ihn mit 120 Rittern und 200 Fußsoldaten nach Korsika zurückschickten, wo er sämtliche Burgen eroberte, die die Genuesen ihm genommen hatten ... Warum ich das alles erzähle?«
Er setzte eine kunstvolle Pause, die leider nur zu kurz dauerte. Caterina verstand seine Worte nicht, wollte sie auch gar nicht verstehen, wollte nur wissen, warum Ray Gaspare verraten hatte und was Davide mit Gaspare vorhatte. Sie konnte sich zwar die Antwort auf beide Fragen vorstellen – aber solange es nicht ausgesprochen war, schien weder das eine noch das andere endgültig entschieden.
Davide quälte sie jedoch mit seiner elendig langen Erzählung weiter, gewiss nur, um sie alle zu foltern, auch Ray, der zwar mit verbissenem Gesicht, aber doch mit hängendem Kopf verharrte.
»Ich erzähle das alles, um euch zu sagen, dass Genua und Pisa kurz vor einem Krieg stehen, der nicht zuletzt dieser Insel Korsika hier gilt. Genua hat fünfzig neue Galeeren bauen lassen, hat mit diesen eine Handelsschiffsgruppe der Pisaner mitsamt 28000 genuesischen Silbermark gekapert und sie obendrein von Oberto Doria Pisa angreifen lassen. Der Veronicaturm liegt seitdem in Trümmern. Pisa wiederum hat Natta GrimAkil zum Admiral der Flotte gewählt, und jener segelte kürzlich bis vor den Hafen von Genua und schoss einen Silberpfeil auf die Stadt. Ich muss dir nicht sagen, Gaspare, welch große Beleidigung dies bedeutet. Genua hat sich alsbald dafür gerächt. Es heißt, sie haben hier in der Nähe fünf Galeeren erbeutet. Habt ihr die Schlacht bemerkt? Ich denke doch, nicht wahr? Bist schließlich schön nass dabei geworden, Gaspare!«
Er lachte dröhnend und so unbeherrscht, dass Caterina hoffte, er möge sich mit seinen spitzen Zähnen die eigene Zunge blutig beißen. Aber nun begann er den eigentlichen heimtückischen Plan kundzutun.
»Also, es steht Krieg vor der Tür – so viel wissen wir«, setzte er an und verkreuzte seine Arme über
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