Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
Cyprian, er war Bischof – und mein Lehrer. Wen Gott reich macht, sagte jener, den kann kein Mensch arm machen.«
    Ich runzelte meine Stirne. Ich weiß nicht, wie es ihr gelang, in mir so häufig zugleich Faszination und Misstrauen, Sympathie und Empörung zu erzeugen. Ich bewunderte sie in dem einen Augenblick – und konnte sie hassen im nächsten. Jetzt zumindest, da sie mir die Wahrheit über ihren Schatz sagte, tat ich es.
    »Aber du hast mir doch einst versprochen, mich freizukaufen?«, rief ich, nicht unbedingt enttäuscht, weil sie mich einer echten Hoffnung beraubt hatte, sondern verbittert. Ich hatte mir die Freiheit nicht gewünscht, sondern Gaetanus’Achtung. Und ich fühlte mich betrogen, dass die, die diese Achtung Gaetanus’ unverdient gewonnen hatte, nun nicht einmal das Versprechen dieser Freiheit einhalten konnte.
    Wie so oft prallte meine Empörung an ihr ab. »Ja, das habe ich«, sagte sie lächelnd. »Von den Fesseln der Sünde und des Todes. Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit.«
    »Aber ich dachte, du wolltest mich vom Sklavenlos erlösen!«, bestand ich.
    Wieder griff sie mühelos auf ein Zitat zurück, von dem ich erst heute weiß, dass es der Heiligen Schrift der Christen entstammt. »Die ganze Schöpfung soll vonder Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes«, sagte sie.
    »Aber Gaetanus’Sklavin müsste ich dennoch bleiben«, stellte ich trotzig fest, obwohl ich mit diesem Umstand nie gehadert hatte.
    »Was lohnte es sich auch, diese Welt zu ändern?«, gab sie zurück. »Wir müssen Barmherzigkeit üben, das wohl, wir müssen fest stehen in unserem Glauben, bis der Herr wiederkommt, und das kann zu jeder Stunde geschehen. Er wird es dann sein, der die Welt neu macht, der sämtliche Ordnung aufhebt, an die sich die kleinmütigen Menschen klammern. Glaub mir, es wird bald geschehen. Die Zeichen zeigen es.«
    »Aber dein Vater ... er hat gesagt, er müsse für deinen Bruder sorgen. Er hat den Göttern geopfert. Und Quintillus und Marcus sind doch auch geflohen. Warum willst du nicht dein Leben retten?«
    »Es ist nicht gut, dass die Gemeinde nicht einig handelt. Wer die Kirche Christi zerreißt und teilt, kann nicht das Kleid Christi besitzen. Auch das hat Cyprian gesagt.«
    »Bitte ... Julia ...«
    »Bedränge mich doch nicht. Mögen meine Brüder und Schwestern im Glauben für ihre Entscheidung geradestehen – ich halte sie für falsch, und ich habe keine Angst vor dem Tod. Er ist kein Untergang, sondern ein Übergang: vom Erdenwanderweg hinein in die Ewigkeit. Und bis dahin werde ich nichts Unrechtes tun, um meine Seele zu beschmutzen.«
    »Du hast gestohlen! Du hast von Gaetanus’Tafel Brot genommen, ich habe es gesehen!«
    Wieder jenes milde Lächeln, das sie noch unangreifbarer machte als der harte Blick oder die schrille Stimme: »Ich würde niemandem sein Essen rauben, der es braucht. Aber es herrscht so viel nutzloser Überfluss in Gaetanus’ Haus. Und weißt du, es ist nicht verboten, vermögend zu sein, irdische Dinge zu besitzen. Aber man muss sie sinnvoll einsetzen! Die Armen sollen schmecken, dass du reich bist, die Bedürftigen sollen schmecken, dass du wohlhabend bist. Tische Christus auf! ... Viele meiner Brüder und Schwestern leben in Armut. Ich teile mein Brot mit ihnen – und ich dachte, wenn ich auch das von Gaetanus mit ihnen teilte, so könnte ich auch seine Seele retten.«
    »Meine Seele kannst du nicht retten«, murmelte ich und setzte endlich das hinzu, was mir eigentlich auf dieser Seele lag. »Ich habe dich verraten, Julia. Ich war es, die Gaetanus erzählt hat ... von euren Zusammenkünften ... von eurem Herrn und dass er Feuer auf die Erde werfen will. Ja, ich habe dich verraten, ich bin eine elende Verräterin. Es ist meine Schuld, dass du nun hier im Kerker bist.«
    »Ach Krëusa, du bist keine Verräterin! Du bist ein Werkzeug Gottes!«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich hätte sie packen und schütteln wollen, um sie zu erreichen. Stattdessen tat ich es mit jenen Worten, die mir noch gewaltsamer erschienen als ein tätlicher Angriff. »Julia, verstehst du denn nicht? Ich wollte dich ... loswerden. Und auch ... auch wenn es nun ganz anders in Erfüllung geht als gedacht, so habe ich genau dieses Ziel erreicht. Wenn du stirbst, dann ist es meine Schuld.«
    Sie hörte mir gar nicht zu. »Weißt du, wie ich sterben werde, Krëusa?«, fragte sie stattdessen. »Gott schenkt mir seine Gnade in ganz

Weitere Kostenlose Bücher