Die Tochter des Ketzers
besonderem Maße!«
Plötzlich schien sich mein Magen zu drehen. Ich wusste nicht, was diese Übelkeit bedingte, der enge Raum, das Gefühl von Ohnmacht, die Ahnung, was sie gleich sagen würde.
Ich beugte mich nach vorne und erbrach mich.
Kapitel XX.
Korsika, Sommer 1284
»Was für ein Fang! Was für ein Fang!«
Der genuesische Kaufmann Davide sprach immer aufs Neue dieselben Worte, als müsste er sein Glück mehrmals benennen, um es endlich fassen zu können. Fast misstrauisch war sein Blick kurz auf Gaspare gerichtet gewesen, als sei es vielleicht nur eine Schimäre, dass er ihn hier fand. Doch je länger er den Strand hinauf und hinab blickte, gewahrend, dass Gaspare tatsächlich allein war – wohingegen er, Davide, eine Schar kräftiger Männer mit sich führte –, desto mehr begannen seine Augen zu glänzen.
Er drehte sich zu Ray um, klopfte ihm gönnerhaft auf die Schultern. »Hast also nicht gelogen, Bursche!«
Caterina stand fassungslos da, konnte das eine nicht mit dem anderen verbinden, Rays Erscheinen und zugleich das von Davide. Es war gewiss kein Zufall; der eine hatte den anderen hergebracht, aber warum hatte er es getan, warum?
Gaspare schien schneller zu begreifen als sie. Nicht erschrocken, vielmehr resigniert senkte er seinen Blick. Er wehrte sich nicht, als zwei der Männer ihn packten, grob seine Hände auf den Rücken rissen, sie dort mit einem Strick zusammenbanden, viel enger, als es notwendig gewesen wäre. Caterina sah ihn zusammenzucken, aber kein Schmerzenslaut trat über seine Lippen. Tonlos ließ er die entwürdigende Prozedur über sich erge- hen, ohne zu fragen, was Davide mit ihm vorhatte, ohne zu fragen, wie er ihn hatte finden können.
Die Antwort schien ihm wohl überflüssig, weil offensichtlich. Und langsam, langsam war auch Caterina bereit, es zu begreifen.
Sie blickte zu Davide, der auf seine übliche Art lächelte, indem er die Lippen über die spitzen Zähne zog. Freude und Häme schienen seine dunklen Augen nicht gänzlich zu erreichen, doch auch darin stand die Genugtuung geschrieben, dass das Leben einen anderen mehr kränkte als ihn. Ray stand neben Gaspare, die Hände zu Fäusten geballt, wie schon zwei Tage zuvor, als er sie drohend gegen ihn erhoben hatte. Seine Augen freilich kündeten nicht von Mut und Kampfeslust. Verlegen wich er Caterinas Blick aus.
»Nein«, murmelte Caterina tonlos, »nein, das hast du nicht getan, du ... du Verräter! Du gemeiner, elender Verräter!«
Sie schwankte zwischen Wut und Fassungslosigkeit – und maßloser Enttäuschung. Nie hatte sie gänzlich aufgehört, von ihm als Schuft und Sünder zu denken, doch in den letzten Wochen war er so viel mehr geworden, ihr Vertrauter, ihr Verbündeter ... der Mann, der sie geküsst hatte, ohne dass er damit Ekel und die Erinnerung an ihre Schändung heraufbeschworen hatte, nur diese hitzige, starke, lebendige Erregung.
»Warum?«, stammelte sie. »Warum?«
Ray blickte nicht auf.
Davide trat an seiner statt auf Caterina zu, musterte sie nachlässig und begann dann zu sprechen. Obwohl er sichtbares Vergnügen an dem fand, was er hier erleben durfte, blieb das übliche Nörgeln, das Caterina bei ihrer letzten Begegnung so überdeutlich gehört hatte, an seiner Stimme haften. Keine Freude dieser Welt konnte offenbar groß genug sein, es vollständig auszumerzen.
»Der Zufall trieb diesen altgeschätzten Freund in meine
Arme«, setzte er an. »Wir wollen Gott danken, dass ich just zu jener Zeit in Mariana weilte, als er hier eintraf. Vielleicht aber ist’s auch Gottes Fügung und unser guter Ray das Werkzeug der Gerechtigkeit, mit dem Gott ...«
»Wage nicht, von Gott zu reden!«, unterbrach ihn Caterina scharf. »Was hast du vor?«
Unmerklich zuckte Davide zusammen, gab sich überrascht von der Strenge in ihrer Stimme. Entweder hatte er sie nur falsch in Erinnerung, oder sie hatte sich gewandelt, in jenen Monaten, da ihr Leben in die Brüche gegangen war und sie gelernt hatte, auf dem Schutthaufen, der übrig geblieben war, festen Stand zu finden. Freilich fing sich Davide rasch wieder.
»Was ich vorhabe? Mit diesem Lumpen hier?«
Er deutete nachlässig auf Gaspare.
»Ich fand ja stets«, fuhr er fort und dachte nicht daran, Gott aus dem Spiel zu lassen, »ja, ich fand stets, dass das, was er am meisten verdient, ein Strick um den Hals wäre. Offenbar sieht es der Allmächtige ebenso. Warum sonst sollte er sein Geschick in meine Hände legen?«
Caterina schüttelte langsam den
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