Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
erreichen, mussten sie sich jetzt fragen, was sie dort tun sollten. Ob man Ray und Gaspare schon an die Pisaner ausgeliefert hatte? Ob man sie tatsächlich in einen Kerker geworfen hatte? Und was erwartete sie dort?
    Beim Hafen ging es geschäftig zu. Mehrere Schiffe liefen gerade ein, dunkle Schatten vor dem grell glitzernden Meer.
    »Ob sich die Pisaner wirklich für einen Krieg rüsten?«, fragte Caterina.
    »Nach dem, was Davide gesagt hat, sind wir doch schon mitten hineingeraten,«
    Sie hatte ihm alles erzählt, was in den letzten Tagen geschehen war, desgleichen, wie er ihr berichtet hatte: davon, dass er an Land geschwommen war, gemeinsam mit ein paar anderen Männern Gaspares, die des Schwimmens mächtig waren, dass sich jene aber sogleich zerstreut hätten.
    Sie habe gedacht, dass Gaspare größten Wert auf Treue lege, hatte Caterina bitter gesagt, und dann war jeder nur aufs eigene Wohl bedacht?
    »Sie wussten doch nicht, ob er noch lebt«, hatte Akil erklärt. »Und Treue hatten sie ihm zu jenen Zeiten geschworen, da Gaspare ein Verbündeter von König Pere war. Jetzt, da er bei jenem wohl in Ungnade gefallen ist, war auch ihre Lage ungewiss.«
    So war Akil allein zurückgeblieben, ziellos umhergeirrt, bis er schließlich Davides Männern begegnet war und beobachtet hatte, wie sie Ray und Gaspare gefesselt wegführten. Akil hatte sich nicht zu erkennen gegeben, sie jedoch lang genug beobachtet, um auch Caterina bei ihnen zu entdecken – und um zu ihr zu stoßen, kaum dass sie alleine war.
    »Und jetzt?«, hatte sie gefragt. Keiner hatte dem anderen ge- genüber die Absicht bekundet, Gaspare und Ray helfen zu wollen, vielleicht, um solcherart sowohl das Hoffnungslose als auch das Widersinnige eines solchen Unterfangens zu verschweigen. Doch wiewohl sie weder eine Idee hatten, wie man es anstellen könnte, noch einen Grund zu nennen wüssten, warum sie sich verpflichtet fühlten, liefen ihre Pläne darauf hinaus.
    Akil hatte laut überlegt, ob es ratsam wäre, in Ajaccio nach dem Verwandten von Gaspares einstigem Gönner zu suchen und ihm zu berichten, was geschehen war.
    »Vielleicht«, hatte er geendigt, »vielleicht kann er sie mit Geld auslösen ...«
    »Aber hast du jemals gehört, wie Gaspare den Namen dieses Mannes nannte? Nein? Also haben wir doch keine Hoffnung, ihn zu finden. Und außerdem ist es vielleicht viel zu weit nach Ajaccio; wir kennen die Insel beide nicht.«
    »Und was sollen wir stattdessen tun?«
    »Wenn man in den Süden geht, kommt man nach Aleria«, hatte Caterina erklärt, »das ist das Einzige, was ich weiß.«
    So waren sie denn hier angekommen, schmutzig, müde, ratlos.
    »Vielleicht ist’s besser, wenn du hier wartest«, schlug Akil mit einem zögernden Blick auf ihr bleiches Gesicht vor, das auch die grelle Sonne nicht zu röten vermochte. »Ruh dich aus; ich gehe allein in die Stadt und versuche, etwas in Erfahrung zu bringen.«
    Caterina nickte, obwohl die Vorstellung, wieder alleine zu bleiben, sie beklommen machte. Freilich hatte ihr Bein wieder zu schmerzen begonnen, sodass sie Akil nur ein Hindernis wäre, würde sie ihn begleiten. Er huschte fort, ohne sich umzudrehen, und als sie ihm nachblickte, überkam sie tiefe Trostlosig-I keit, nicht nur ob der Einsamkeit, sondern weil sie nicht wusste, was zu tun war.
    Sie dachte an Rays Rat, Unterschlupf in einem Kloster zu su- chen. Doch wann immer sie sich selbst in einer von dessen nüchternen Zellen vorstellte, sah sie stattdessen jenen Kerker vor sich, in dem Gaspare seine Kindheit verbracht hatte, schwül und finster und stickig und dumpf und eng.
    Wie konnte er es ertragen, wieder in einem solchen Loch zu landen? Und wie würde Ray damit zurande kommen, wo er doch gedacht hatte, endlich wieder Herr seines Lebens zu sein, nicht länger gefangen?
    Es war kein echtes Mitleid, was sie für die beiden empfand, eher eine Ahnung von deren Grauen und Verzweiflung, die auf sie überzuschwappen schienen, als gäbe es ein Band zwischen den beiden und ihr, nicht von Zuneigung geknüpft, sondern von der gemeinsamen Erfahrung von Ohnmacht, Trostlosigkeit und zugleich dem Willen, dagegen anzukämpfen.
    Jener Wille machte sich auch jetzt in ihr breit, ohne dass sie sich bewusst dafür entschieden hatte. Der Wille, nicht einfach hinzunehmen, was den beiden geschah, ungeachtet dessen, ob sie zu Recht oder zu Unrecht für die Missetaten ihres Lebens bestraft wurden.
    Zweimal kehrte Akil zu jenem kleinen schattigen Plätzchen am Strand

Weitere Kostenlose Bücher