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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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nur mit der Sehnsucht, dass das, was sie tat, sich als das Richtige erweisen möge.
    »Es könnte doch sein«, murmelte sie, »es könnte sein, dass ich ganz alleine auf der Welt bin, die Einzige, um den rechten Glauben zu bewahren, zu beweisen, dass dieser Glaube an Christus keine Irrlehre ist, sondern die Möglichkeit, das Ewige Leben zu gewinnen. Was ist, wenn es niemanden mehr gibt ... außer mir? Also, du weißt doch, wie ich mich entscheiden würde, nicht wahr!«
    Ich hatte mich aufgerichtet, nun fiel ich auf die Knie, rang die Hände. Ich kann sie nicht enttäuschen, dachte ich; nicht einmal dazu kann ich sie bewegen – dass sie denkt: Welch eigennütziges Mädchen, ich habe ihr vertraut, und sie war dessen nicht würdig, sie hat sich in eine unsinnige Liebe verrannt und mich dafür verraten. Nein, das würde sie nicht denken. Sie würde darüber hinwegsehen und an ihrem Entschluss festhalten, der mich in jenem Augenblick nicht nur völlig widersinnig, weil lebensverachtend deuchte, sondern so ... überheblich. Genau betrachtet war sie das immer gewesen. Sie hatte sich oft bescheiden gezeigt, zurückhaltend, war ganz darin aufgegangen, anderen zu helfen – und zugleich war sie doch so stolz, sich ihrer selbst so sicher, war so hochmütig. Nicht weil sie als freie, wohlhabende Tochter geboren worden war, sondern weil sie mit ihrem Glauben etwas zu besitzen meinte, was die anderen blinden, dummen, kleinmütigen Menschen noch nicht begriffen hatten.
    »Du musst dich nicht schämen, dass du mich verraten hast«, sagte sie leise. »Denk nicht mehr daran.«
    Nie war sie mir ferner und fremder gewesen als in jenem Moment, da sie mir verzieh. Und nie wünschte ich mir so sehr, ihr nah zu sein, mich ganz in ihr zu verkriechen, Zuflucht zu nehmen in ihrer Art, die Welt zu deuten.
    Sie trat zu mir her, legte erneut ihre Hände auf meine Schultern. »Krëusa, steh auf!«
    Mein Name, immer wieder mein Name.
    »Du hast dich entschieden«, hörte ich mich murmeln, »und käme die ganze Welt, um dich davon abzubringen, würden jene, die dich lieben, dich auf den Knien anflehen, du würdest dabei bleiben. Aber ... aber was ist, wenn ich dich brauche? Du bist die Einzige, die mich ... gesehen hat!«
    »Krëusa«, sprach sie. »Wenn du mehr wissen willst über meinen Glauben, dann geh zu Quintillus. Suche ihn in den Bergen. Auch wenn er geflohen ist – vielleicht wird Gott ihm die Kraft geben, dir ein guter Hirte sein.«
    »Lass mich nicht einfach so zurück auf dieser Welt, Julia«, sagte ich. »Ich fühle mich so allein!«
    »Vertrau auf Gott, und du bist nicht allein.«
    Sie breitete ihre Arme aus, und ich ließ mich hineinfallen. Ich weiß nicht mehr, ob ich mich wirklich geborgen fühlte, ich weiß nur, dass meine Augen plötzlich keine Tränen mehr spuckten – es war, als wäre mein Innerstes ausgetrocknet.

Kapitel XXI.
Korsika, Sommer 1284
    Die Stadt Aleria glich einem kleinen Menschen, der in einen viel zu großen Mantel gehüllt war. Die alten Hafenanlagen der Römer waren mächtig, winzig klein jedoch die vielen Häuschen der Fischer, Handwerker und Händler, die darum herumgebaut waren und die sich nicht scherten, jenes Erbes würdig zu sein – Überreste von jener Stadt, die das erste Mal von den Vandalen und später von den Sarazenen bis auf die Grundmauern zerstört worden war.
    Viele Jahre später hatten die Pisaner auf den Ruinen eine Stadtmauer errichtet und auf einem alten Römerpalast eine Zitadelle, doch anstatt von Schutz und Zuflucht zu künden, ward die Wirkung dieser Mauer von weiteren Häuschen zerstört, die sich vor ihr und nicht im sicheren Inneren niedergelassen hatten, wohl, weil die Hafenstadt aus allen Nähten platzte. Das Land war flach und sumpfig hier, an manchen Stellen von Mückenschwärmen verdunkelt; die Berge im Landesinneren waren von hier aus gesehen kaum mehr als Schatten, eher Wolken gleichend.
    Noch ehe sie durch das Stadttor traten, ruhten sich Caterina und Akil eine Weile aus – im Schatten jener dürren, knorrigen Bäume, die den Strand begrenzten, hier keine kleine, runde Bucht, sondern eine kahle, langgezogene Fläche. Sie betrachteten das Getümmel aus der Ferne, waren noch geschützt vor starken Gerüchen und dem Lärm.
    Seit Caterina von Akil aufgestöbert worden war, fühlte sie sich sicherer, nicht mehr der grenzenlosen Einsamkeit ausgeliefert. Alerias Anblick jedoch stimmte sie beklommen, denn während in den letzten Stunden einzig gezählt hatte, die Stadt zu

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