Die Tochter des Ketzers
fühlte es sich oft an, als wäre ich der einzige Mensch mit festem Glauben – und dieser Schatz hier war das sichtbare Zeichen dafür. Aber jetzt denke ich mir: Gibt es nicht genügend andere Menschen, die den Glauben wahren, die nie zu beten verlernen, ganz gleich, was ihnen zustößt, die viel frommer sind als ich? Ja, ich bin gewiss, dass es ebendiese Menschen gibt, aber eben niemanden ... um die beiden zu retten ... nur mich ...«
»Es ist deine Entscheidung«, meinte Akil schlicht.
»Ja«, sagte Caterina, »ja, das ist sie. Und ich habe sie getroffen.«
Auch bei der Suche nach Davide war Akil eine unentbehrliche Hilfe für Caterina. Mühelos schien er sich auf der Insel zurechtzufinden, obgleich sie ihm doch nicht vertrauter war als ihr. Ohne darüber ein Wort zu verlieren, hatte er die Führung übernommen, sobald ihre Entscheidung gefallen war, und sie war erleichtert, ihre Kräfte einzig darauf zu verschwenden, ihm zu folgen: zuerst jenen Weg zurück, den sie in den letzten Tagen schon einmal gegangen war, dann den Punkt überschreitend, an dem sie gestrandet waren, und schließlich noch weiter in Richtung Norden.
Akil war ebenso wendig wie zäh. Kaum klagte er über Müdigkeit und Hunger; mit jener zurückhaltenden Höflichkeit, die ihm eigen war, ließ er Caterina jedes Mal den Vortritt, wenn es darum ging, die mageren, kleinen Fische zu teilen, die er aus dem Meer fing. Nur wenn es darauf ankam, den Weg zu erkunden, zu erfragen, wie man nach Mariana gelangte, jenem Ort, wo sie Davide vermutete, bestand er darauf, der Erste zu sein. Viel besser als ihr gelang es ihm obendrein zu unterscheiden, wo pisanisches Gebiet war und wo genuesisches.
Caterina fragte sich oft, wie es Akil gelang, trotz seiner sto- ckenden Sprache und seiner dunklen Haut kein Misstrauen zu säen. Doch vielleicht wurde beides gar nicht erst wahrgenommen – so schmächtig wie der Knabe war und außerdem so unauffällig, so leise, so unterwürfig, mehr Kind als Mann.
Manchmal verglich sie Akil in jenen Tagen mit Ray; in manchem waren sie sich ähnlich, in anderem unterschiedlich. Beide hatten die Gabe, sich durchzuschlagen, auf eine Weise, die niemals von Anstrengung kündete, sondern lediglich von Leichtigkeit. Und doch war Rays Lebenserfahrung lauter, stolzer, dreister gewesen. Er hatte sich stets dafür gerühmt – Akil nicht. Er tat, was getan werden musste, ohne dafür Respekt einzufordern.
Einmal fragte Caterina, warum er das täte. Denn wiewohl sie wusste, dass sie Akil trauen konnte, dass er sich ihr – wenngleich nur zufälliger – Verbündeter zu sein wähnte, war sie sich oft nicht gewiss, was er wirklich von ihr hielt und ob er sie mochte. Hegte er echte Sympathie für sie, oder hätte er in gleicher Weise gehandelt, auch wenn sie ein ganz anderer Mensch gewesen wäre?
Gleichmütig gab er zurück: »Bist in mein Leben wie ein Gast geraten. Und in dem Land, woher ich stamme, da schützt man Gäste mit dem eigenen Leben – ganz gleich, ob man sie überhaupt eingeladen hat, ganz gleich auch, was man wirklich von ihnen hält.«
»Und was hältst du von mir?«, setzte sie unvermittelt an. »Du heißt doch nicht gut, was ich zu tun bezwecke, oder?«
Er zuckte die Schultern, zeigte jenen verschlossenen Gesichtsausdruck, welcher bekundete, dass sie ihm nichts erklären müsste, dass er sie niemals verurteilen würde – und dass ihm zugleich eine echte, tiefe Anteilnahme an ihrem Leben fehlte. Sie sprach nicht weiter. Die Grenze, die er zwischen sich und ihr zog, tat ihr gut. Verlässlicher war sie als jenes merkwürdige Band, das sie an Ray band oder das an Gaspare. Vielleicht war sie in Wahrheit längst davon gefesselt, um es einfach loszulassen.
Als sie Mariana erreichten – eine Stadt am Meer wie Aleria, jedoch nicht von flachem Land umgeben, sondern auf einem kleinen Plateau liegend, von dem man auf das wellige Blau hinabblicken konnte –, so fühlte sie sich längst nicht mehr als eine, die eine Entscheidung getroffen hatte, sondern wie eine Getriebene, die ebenso ungewollt beim genuesischen Kaufmann landete, wie sie auch auf dieser Insel gestrandet war. Dass sie ihn tatsächlich hier vorfand, deuchte sie trügerisch simpel, es erzeugte in ihr nicht nur Erleichterung, sondern zugleich Unbehagen, als könne dieses nicht nur eine wundersame Fügung bedeuten, sondern ebenso ein schlechtes Omen.
Wie so oft war es Akil, der sich umgehorcht und herausgefunden hatte, dass der genuesische Kaufmann wie fast alle
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