Die Tochter des Ketzers
seiner Zunft in der Marktbude lebte, wo er auch seinen Handel tätigte, kaum mehr als eine Spelunke, aus Holz erbaut und das so windschief, dass nicht gewiss schien, ob dieses Gebäude den nächsten Sturm überdauern würde.
Als sie die Hütte erreichten, so standen gerade zwei Burschen davor, Lastenträger offenbar, die sich ihr Geld damit verdienten, dass sie Ware ein- und ausluden. Doch anstatt sich üblichem Tagewerk zu widmen, standen sie sich reglos gegenüber, musterten einander mit kalten Augen und schienen eine schweigende Feindschaft auszukosten. Als Caterina zu ihnen trat, nach Davide fragte, regte sich nichts in ihren Mienen. Sie meinte schon, die beiden wären taub oder der Sprache nicht mächtig – da stürzten sie sich, wie auf unsichtbares Kommando hin, mit einem unwilligen Knurren aufeinander, als wollte der eine dem anderen den Schädel einschlagen. Doch da sie gleich stark waren, wurde aus dem Aufeinanderprallen keine echte Rauferei, sondern ein verbissenes Geknäuel, in dem es schlichtweg darum zu gehen schien, den anderen festzuhalten, damit er sich nicht bewegen konnte, nicht aber, um zu schlagen und zu prügeln und zu kneifen.
Unwillkürlich sprang Caterina zur Seite.
»Matteo! Giovanni!«, tönte es nörgelnd von der Tür her.
Bei ihrer letzten Zusammenkunft hatte sie Davide in ausnehmend guter Laune erlebt. Nun freilich schien der Triumph, den er über Gaspare hatte feiern können, zu lange her, um ihn vor seiner üblichen Verdrießlichkeit zu schützen. Obwohl ihn der Kampf der beiden nach draußen gelockt hatte, war Davide nicht bereit, durch mehr als nur ein paar gelangweilt klingende Worte einzugreifen. Nachdem sie nicht auf ihre Namen reagiert hatten, sich nur noch viel unbarmherziger umklammerten und jetzo – da ihre Fäuste im Griff des jeweils anderen gefangen waren – die Zähne gebrauchten, um dem jeweils anderen zuzusetzen, blieb er schulterzuckend stehen und blickte missmutig auf jenes Menschenhäuflein, das sich da blutig biss.
»So gierig sind die«, murmelte er, »da mag man meinen, sie fressen sich irgendwann gegenseitig auf. Können sich nicht mit dem begnügen, was ihnen zusteht. Müssen auch obendrein dem anderen den letzten Rest abluchsen.«
Er schüttelte den Kopf, indessen Caterina ihn überrascht anblickte. Dass ausgerechnet Davide eine Regung wie die Gier verurteilte, schien ihr nicht minder absonderlich als die kämpfenden Jungen.
Er schien ihre Gedanken zu lesen – zum gleichen Zeitpunkt, da er sie wiedererkannte –, denn trotz sichtlich trüber Laune kicherte er plötzlich auf. »Man will mir vielleicht vorwerfen, dass ich auch nicht viel besser bin«, meinte er belustigt, um schlagartig wieder ernst zu werden: »Aber die Wahrheit ist: So tief würde ich nicht sinken! Ist es doch nur ein einziger Sous, um den sie sich balgen. Das wäre mir zu wenig ... und ein solcher Kampf zu dreckig obendrein.«
Angewidert starrte er auf den staubigen Boden und schüttelte wieder den Kopf. Caterina umrundete vorsichtig das Gewirr an Armen und Beinen.
»Der eine kommt zu seinem Geld, indem er kämpft, der andere, indem er betrügt«, setzte sie an.
»Spar’s dir! Ich weiß, worauf du hinauswillst, und ich geh es gerne zu, dass ich zu Letzteren gehöre. Ray übrigens auch. Wie geht’s ihm denn?«
Finster blickte sie ihn an, worauf er wieder ein bissiges Lachen ausstieß.
»Ach ja, ich vergaß ... er hockt ja im Kerker der Pisaner in Aleria. Haben sie ihn schon aufgeknüpft?«
Caterina schüttelte den Kopf. »Seinetwegen bin ich nicht hier.«
Kurz bleckte er seine spitzen Zähne. »Was ohne Zweifel gut so ist. Denn ich kann ihm ganz gewiss nicht mehr helfen. Tut mir leid.«
»Wenn’s dir leidtut, warum hast du ihn dann ...«
»Ich dachte, seinetwegen wärst du nicht hier. Warum dann? Wollen wir hineingehen?«
Zögernd drehte sich Caterina nach Akil um, doch dessen Miene gab ihr keinen Hinweis, welches Verhalten er ihr anriet.
»Ich tu dir schon nichts, Mädchen!«, meinte Davide. »Hätte ich dich gewollt, hätte ich dich längst kriegen können.«
Sprach’s, wandte sich ab und verschwand nach drinnen.
Da fasste sich Caterina ein Herz und folgte ihm. »Ich habe dir ... ein Angebot zu machen.«
Das Licht, das durch die schmalen Holzritzen drang, zerfloss im Inneren zu einem matten Grau. Wohl ließen sich sämtliche Konturen erkennen, nicht nur die Gestalt von Davide, sondern auch der schlichte Tisch und der Stuhl, jedoch schien alles keine Farbe zu
Weitere Kostenlose Bücher