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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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jemanden fände, der ihres Lebens Klagen zuhörte.
    Caterina war froh, etwas für Fauressa tun zu können – und zugleich war sie abgestoßen von der zahnlosen Alten, die ranzig wie abgestandene Butter stank und sich im eigenen Kot und Urin wundgelegen hatte. Sie greinte tatsächlich fortwährend, meist dieselben Worte, die – kaum waren sie ausgesprochen – endlos wiederholt wurden. Geschichten aus der Kindheit waren es, triefend vor Unglück und vor Leid, das man ihr zugefügt hatte, aus Gleichgültigkeit oder Boshaftigkeit, was zählte das schon, in jedem Fall war gewiss, dass sämtliche Menschen danach getrachtet hätten, ihr das Leben zu vergällen. Nie wäre einer da gewesen, es ihr zu verschönern. Nie hätte sie einer an der Hand genommen und aus dem Elend gezogen. Zuerst lauschte Caterina voller Mitleid, dann mit Überdruss. Wort für Wort flössen die Geschichten aus der Alten heraus, ein Brei, so zäh und schleimig wie ihr Speichelfluss. Man konnte ihn nicht verdünnen, ihn nicht aufhalten. Heraus musste es wie Unrat, doch anstatt hernach davon befreit zu sein, fing sie von Neuem an, als wolle sie das Unglück nicht nur benennen, sondern sich auch darin suhlen, beinahe boshaft beglückt darüber, dass sie nie rein davon wurde, sondern obendrein noch einen anderen, nämlich Caterina, damit beschmutzen konnte.
    Lediglich ein einziges Mal sprach sie Worte, die nicht nur sie selbst und das eigene Geschick betrafen, sondern Caterina. Es war dies eines Abends, als sie beim Essen saßen, der Anblick des zähen Speichelfadens, der über das Kinn der Alten rann, jedoch sämtlichen Appetit Caterinas tilgte. Auf dem Fußmarsch war sie stets hungrig gewesen, hier im stickigen Haus hingegen fühlte sich ihr Magen an, als wäre er mit Steinen gefüllt.
    »Sie ... sie scheint mir nicht ordentlich zu essen«, hörte sie da plötzlich die Alte knurren und fühlte auch den Blick, den diese auf ihre noch volle Schüssel mit Eintopf warf.
    Verwirrt blickte Caterina auf, konnte sich nicht denken, was das die Alte anging – anders als Fauressa, der die Bedeutung dieser Worte wohl nicht entgangen war.
    »Hab keine Angst«, meinte sie in Richtung der Alten. »Ich habe schon gesehen, dass sie Fleisch isst.«
    Caterina war verwirrt – so wie damals, als das Misstrauen der Frauen sie getroffen hatte, weil sie nicht sofort von dem Schaffleisch genommen hatte –, gleiches Misstrauen, das offenbar auch die Alte zu ihrer Frage bewogen hatte, doch damals wie heute schwieg sie lieber, statt nachzufragen.
    Nach all den Tagen war Caterina erleichtert, als es nach einer Woche endlich hieß, dass sie ins nächste Dorf gehen solle, Ray weile dort. Caterina fragte nicht, was er dort machte, packte nur ihr Bündel – Fauressa hatte ihr ein abgetragenes Kleid von sich selbst überlassen, ebenso ein wärmendes Plaid – und verabschiedete sich von der gastfreundlichen Frau, die den zehnjährigen Sohn schickte, Caterina zu begleiten.
    »Ich weiß zwar immer noch nicht, wer du bist und was genau du willst«, meinte Fauressa zum Abschied, »aber ich wünsch dir, dass Ray sich ein Herz fasst und dir hilft. So wie du dich benimmst, hast du es bitter nötig.«
    Fauressas Sohn erwies sich als wortkarg; offenbar war er verärgert darüber, dass er das absonderliche Mädchen begleiten musste. Mit Absicht ging er so schnell, dass sie kaum nachkam. Gänzlich auf das eigene Keuchen konzentriert, blieb ihr keine Zeit, sich auf das einzustellen, was sie erwartete, vor allem aber: wer.
    Das Dorf, in das sie kamen, glich jenem, in dem sie die letzte Woche zugebracht hatte; die Häuser waren aus Holz gebaut, nur die Kirche aus rötlichem Stein. Vor ihr war der Marktplatz und in der Nähe des Marktplatzes jene Stätte, wohin Fauressas Sohn sie nun führte und wo er sie stehen ließ.
    Caterina atmete tief, riss die Augen auf. Üble Gerüche schwappten ihr vom Inneren dieser niedrigen Spelunke entgegen, und als sie vorsichtig daran klopfte und eintrat, wurden ihre schlimmsten Befürchtungen noch übertroffen.
    Ein Sündenpfuhl, ganz ohne Zweifel. Eine Stätte des Weins und des Glücksspiels. Ein Ort, wohin sich kein Gerechter jemals begeben würde.
    Berauscht euch nicht mit Wein, das macht zügellos, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. So stand es in der Bibel – die hier freilich kein Gewicht zu haben schien.
    Caterina widerstand nur mit Mühen dem Verlangen, augenblicklich umzukehren und hinauszustürmen. Sie hätte es getan, wenn sie sich hätte sicher

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