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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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–, aber anstatt mir mehr Aufmerksamkeit zu zollen, schien er nur noch erstarrter zu sein. In Rom hatten ihn seine Pflichten wach gehalten; kaum jedoch hatten wir in Ostia die Galeere bestiegen, so schien er einzuschlafen, ganz gleich, ob er nun die Augen offen hielt oder nicht.
    Die Gedanken drehten sich in meinem Kopf, immer schwerfälliger, immer quälender. Ich kaute daran, aber ich schluckte sie nicht. Ausgespien hätte ich sie am liebsten, aber wohin? Ich wollte doch keine Spuren hinterlassen, nicht auf dieser fremden Insel, von der es hieß, sie sei nichts weiter als ein Berg im Meer, doch selbst von diesem war nichts zu sehen, so eingehüllt war er in trübe Wolken. Plötzlich hatte ich Angst, meinen Fuß darauf zu setzen, das Schiff zu verlassen, irgendwo in einem Palast zu leben, der gewiss ärmlicher, kälter, härter war als Gaetanus’ römisches Heim. Ich zögerte. Gaetanus auch. Er wurde von einer Legion erwartet, doch anstatt ihr entgegenzutreten, verharrte er am hölzernen Steg, an dem das Schiff angelegt hatte. Ich hatte den Eindruck, als würde er ins Wasser starren, und kurz überkam mich die Angst, er könnte sich einfach fallen lassen, sich in die undurchdringlichen Fluten stürzen.
    Aber dann gewahrte ich, dass sein Blick nicht vom Wasser gebannt wurde, sondern von etwas anderem. Ich folgte diesem Blick – und dann sah ich sie.
    Sie war groß gewachsen und hager, sie hatte helles Haar, wie es Römerinnen für gewöhnlich nicht haben (gleichwohl manche versuchen, mit einer Seifenpomade aus Birkenasche, Kamillenblüte und Safran solche Farbe zu erreichen); sie trug eine Tunika, die einst blau gewesen sein musste, nun aber zu einem matten Grau verwaschen worden war. Sie war nicht sonderlich schön. Aber sie war anders als alle Frauen, die ich kannte. Sie tat das Ungewöhnlichste, dessen ich jemals Zeuge wurde.

Kapitel III.
Languedoc, Frühling 1284
    Später am Tag teilten die Frauen ihr Mahl mit Caterina. Sie war erleichtert, als sie ein zweites Mal Rast machten, denn so dankbar sie auch gewesen war, als die Frauen ihr anboten, sie ins nächste Dorf mitzunehmen, und sie sich leichten Herzens von Isarn verabschiedet hatte, so musste sie alsbald gewahren, wie schwächlich ihr Körper im Vergleich zu den kräftigen Leibern der Frauen war. Sie hatte gelernt, wie man stundenlang kniete, ohne dass man vor Schmerzen umkam. Aber sie hatte nicht gelernt, ebenso stundenlang zu marschieren, obendrein nicht mit richtigen Schuhen, sondern nur mit Leinenfetzen, die sie um die Füße gebunden hatte. Nie war der Weg steil, und doch bereitete ihr jeder weitere Hügel, den sie sich hinaufschleppen musste, größte Anstrengung. Anfangs verkniff sie sich noch ein Keuchen – sie wollte nicht die Aufmerksamkeit der Frauen auf sich ziehen –, später freilich tat sie es hemmungslos, desgleichen wie sie nicht mehr darauf achtete, dass Schweiß aus allen Poren drang und über ihr Gesicht rann.
    Aiglina, das Mädchen, das vorhin über die schöne Kleidung der edlen Damen gesprochen hatte, musterte sie manchmal von der Seite, sagte aber nichts. Die anderen drei hingegen – sie hießen Gérauda, Fauressa und Blancha – tuschelten miteinander, wiewohl Caterina nicht hören konnte, ob sie damit gemeint war.
    Als sie endlich eine Pause einlegten – die Wolken, bislang feste, runde Bällchen, begannen am matter werdenden Himmel Fäden zu ziehen –, ließ sich Caterina ächzend auf den Boden sinken, bettete den schweren Kopf auf weiches, nach Erde duftendes Moos und genoss es, wie sich langsam ihr Atem beschwichtigte und sämtliche Glieder matt und schwer wurden.
    Fauressa – sie war jene der Frauen, mit der sie über den Vetter ihres Vaters gesprochen hatte – kniete sich zu ihr her.
    »Solltest etwas essen«, murmelte sie, »so schwach wie du bist, kannst du’s gewiss brauchen. Hier, da hast du: getrocknete Äpfel, Birnen, Feigen.«
    Caterina starrte die Früchte misstrauisch an. Sie kannte sie, hatte sie aber nur selten gegessen. Süßes Obst war dem Gaumen zu wohlgefällig, um nicht Wollust und Begierde heraufzubeschwören.
    Wiewohl sie die Mahnung ihres Vaters im Ohr hatte, aß Caterina dennoch so gierig, dass ihr der Speichel über die Backen rann. Der süße und zugleich herb-säuerliche Geschmack schien ihren dumpfen, müden Kopf zu klären.
    Danach reichte Fauressa ihr ein Stück Fladenbrot, das weicher war als das von Isarn, und gepökeltes Schaffleisch. Caterina zögerte kurz, Letzteres zu nehmen. Am

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