Die Tochter des Ketzers
und wieder hörte Caterina mehrmals zischend den Namen »Ray« heraus.
Doch es wurde nicht lange von ihm gesprochen, und als sie endlich verstummten, ging ihr durch den Kopf, dass es vielleicht auch besser war, nicht zu viel von dem fremden Verwandten zu erfahren.
Es dauerte eine Woche, bis sie Raimon fand. Nach einer klammen Nacht waren sie am nächsten Tag in jenem Dorf angekommen, woher die Frauen aufgebrochen waren – und wo nun manche von ihnen von einer verrotzten, rotwangigen Kinderschar erwartet wurde. Es war nicht gewiss, ob dies die eigenen Bälger waren oder Geschwister, für die sie sorgten – in jedem Falle kehrte eine jede rasch in ihr Haus zurück, niedriger als das Domus, in dem Caterina aufgewachsen war, weil einstöckig.
Einzig Fauressa hatte Mitleid und trat zu Caterina hin, die mit gesenktem Haupt dastand, überrollt von den Gerüchen, den Lauten, den vielen Menschen, die sich auf dem Marktplatz herumtrieben und ihre Sinne in Beschlag nahmen, zu überreizen drohten, erneut die Sehnsucht nach Stille weckten, nach Einsamkeit, wiewohl sie zugleich vor nichts mehr Angst hatte, als allein auf der Welt zu sein.
»Werde mal fragen, ob Ray sich hier in der Nähe aufgehalten hat«, meinte Fauressa aufmunternd. »Der ist schon manches Mal hier vorbeigekommen.«
Caterina starrte sie verwirrt an. Lebte er denn nicht an einem festen Ort? Und ach, warum kannte sie den Namen seines Dorfes nieht? Warum hatte ihr der Vater nie mehr von dem Oheim erzählt, als dass es ihn gäbe und wie er hieße, und selbst das in mürrischem Ton?
»Leider weiß keiner, wo er sich gerade herumtreibt«, erklärte Fauressa schließlich, nachdem sie mit einigen Leuten geredet hatte, wieder mit jenem spöttischen Gackern in der Stimme und zugleich ein wenig verächtlich. »Kommst jetzt erst mal mit zu mir, das ist am besten, dann sehen wir weiter. Gewiss kriegen wir bald Kunde, wo er sich aufhält. Wenn’s um Ray geht, spricht sich immer alles rasch herum.«
Caterina zuckte mit den Schultern, wagte wieder nicht, dié rätselhaften Worte zu ergründen, und folgte Fauressa ins Innere von deren Heim.
Eine Woche verbrachte sie dort, anfangs erleichtert, dass sie Unterschlupf gefunden hatte, wiewohl Fauressas Haus nur aus einem einzigen Zimmer bestand und jenes nicht nur schwarz war vor Dreck, sondern zudem finster und rauchig und überfüllt von Kindern und Alten. Später war sie beschämt, weil sie Fauressa die Gastfreundschaft nicht lohnen konnte. Offenbar hatte sich jene von dem Mädchen flinke Finger erwartet, die sie bei der Mühsal des Alltags entlasteten – ihr Gatte war vor einigen Monaten gestorben, hatte sie nicht nur mit den Kindern zurückgelassen, sondern auch mit den siechen Eltern. Doch alsbald musste Fauressa feststellen, dass es keine Sache gab, in der sich Caterina geschickt anstellte.
»Sag, Mädchen, was kannst du eigentlich? Stell ich dich an den Herd, so lässt du den Eintopf anbrennen. Lass ich dich Wasser holen, verschüttest du die Hälfte. Du kannst nicht den Boden fegen, du kannst nicht nähen, und mit Kräutern kennst du dich nicht aus. Was hast du denn dein Leben lang gemacht?«
Caterina zuckte wie so oft hilflos mit den Schultern. »Ich kann lesen und schreiben«, erklärte sie, »mein Vater hat es mir beigebracht. Er wollte, dass ich ins Kloster gehe.«
Fauressa starrte sie abschätzend an, sagte aber nichts mehr. Später hörte Caterina, wie sie mit Gérauda und Aiglina über sie tuschelte, die Frauen, mit denen sie unterwegs gewesen war und die in der Nachbarschaft wohnten.
»Ich hätte sie schon fortgejagt«, meinte Gérauda. »Noch ein hungriges Maul kannst du dir nicht leisten.«
»Weißt ja auch nicht, ob sie dir nicht noch Schwierigkeiten einbringt«, bekräftige Aiglina.
»Ach was«, meinte Fauressa, »’s ist doch nur ein ängstliches Mädchen, und wenn wir erst erfahren, wo Ray ...«
»Pah!«, zischte Aiglina.
»Hört, hört!«, lachte Fauressa da. »Wie du da abfälligst schnaufst! Bist doch immer eine der Ersten, die sich von ihm schöne Augen machen lässt.«
Fauressa und Géraude brachen in hämisches Gelächter aus, indessen Aiglina errötete, doch sie verstummten sofort, als sie Caterina in ihrer Nähe gewahrten.
Da Caterina für nichts Nützliches zu gebrauchen war, bat Fauressa sie schließlich, bei den Alten zu sitzen und ihnen die Zeit zu vertreiben. Die Schwiegermutter würde ständig greinen, auch des Nachts, vielleicht würde sie endlich das Maul halten, wenn sie
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