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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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ihr die Antwort auf diese Frage würde geben können.
    »Nun gut«, meinte er da schon, und wieder einmal ging dieser Ruck durch seinen Leib, als würde er alle Glieder ausschütteln und sie neu zusammenfügen. »Jetzt wollen wir erst mal sehen, wie wir zu Geld kommen!«
    »Aber wovon lebst du? Wer bist du?«, entfuhr es Caterina . Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Ray einer Arbeit nachging, die ihr Vater für ein ehrliches Tagewerk befunden hätte.
    »Wart es ab«, lachte er und rollte die Lederdecke zusammen. »Wart es ab.«
    »Manch einer sagt, ich sei ein Niemand«, erklärte Ray später, als sie sich einem Dorf näherten. »Ich hingegen meine, dass ich all das bin, was die Menschen gerade von mir wollen.«
    Für Caterina war es immer noch anstrengend, längere Strecken zu gehen, fast unmöglich wurde es bald, obendrein den Wagen zu ziehen. Dennoch hielt sie verbissen daran fest, wollte weniger Ray ihre Hilfsbereitschaft bekunden, als sich vielmehr eine Buße auferlegen, weil sie ihn begleitete und ihm zuhörte und auch dann nicht wagte, von ihm abzurücken, als sie das Dorf erreichten (weit genug von dem gestrigen entfernt, wo sicherlich die Wirtin nach ihm Ausschau halten würde, wie er erklärt hatte).
    Sie hätte im Boden versinken wollen ob all der Blicke, die auf sie beide fielen, neugierig, entblößend, verächtlich. Um ihnen zu entgehen, ließ sie dann doch den Wagen los, starrte lange Zeit auf ihre Handflächen, wo sich Blasen zu bilden begonnen hatten – und blickte erst dann wieder hoch, als Rays peinliches Schauspiel bereits begonnen hatte.
    »Bin ein Homo viator«, hatte er erklärt – und sie hatte nicht gewusst, was er meinte. Nun gedachte sie einer Rede des Vaters, als dieser über ehrliche und unehrliche Berufe gesprochen hatte und zu letzteren, welche nicht Gottes Wohlgefallen fän- den, sondern des Teufels wären, die Spielleute und Gaukler gezählt hatte.
    Lorda hatte damals eingewendet, dass eine schöne Stimme schließlich auch eine Gottesgabe sei – doch der Vater hatte sie wütend angefahren, dass diese allein in der Kirche zum Lobpreis Gottes dienen solle, jedoch nicht zur Unterhaltung der Leute.
    Nun, Ray war gewiss nicht mit einer schönen Stimme gesegnet, sondern eher mit einer krächzenden. Er stand in der Mitte des Dorfplatzes; in den Händen hielt er ein rundes Instrument, über das ein paar Saiten gezogen waren, doch anstatt daran zu zupfen – sie waren lose und ausgeleiert –, schlug er einfach nur einen passenden Rhythmus wie auf einer Trommel.
    Ein Canso hatte er den Menschen angekündigt, ein Liebeslied.
    Jenes handelte von der unglücklichen Jeanne, Schwester des großen Richard Löwenherz und Gattin von Raimon de Toulouse, die einst gegen die Franzosen ihre Burg zu retten versuchte, jedoch von den eigenen Leuten verraten wurde. Verzweifelt suchte sie Zuflucht beim geliebten Bruder, doch der war schon vom tödlichen Pfeil getroffen und starb in ihren Armen. Sie selbst – guter Hoffnung und vom Kummer gefällt – überlebte ihn nicht lange und schwand tieftraurig dahin.
    »Maul halten!«
    »Willst du wohl still sein!«
    »Hat man denn keine Ruhe hier!«
    In Rays Gesang mischten sich alsbald mürrische Stimmen – von Weibern kommend, die am Brunnen Wasser holten, einem Zimmermann, dessen Werkstatt zum Platze hin geöffnet war, und einer Tuchmacherin, die nebst der üblichen Ware auch kostbare Stickereien herstellte und dafür das Tageslicht nutzte.
    »Hab mich wohl geirrt«, murmelte Ray in Caterinas Rich- tung. »Ist gar kein Markttag heute. Pech gehabt. Wären ansonsten mehr Leute hier und was zu holen.«
    Er ließ sich jedoch nicht wirklich entmutigen, sang beherzt weiter, und als ihn wieder Schmährufe trafen, hielt er den Menschen keck entgegen:
    »Na gut, na gut, ich bin nicht so begabt wie ein Raimon Jordan, Garin le Brun oder Amanieu de Sescars. Die würdet ihr euch auch gar nicht leisten können!«
    »Vor allem nicht leisten wollen!«
    »Das glaube ich nicht! Guiraut Riquier sagt man nach, dass er mit seinen Gesängen, seien es nun Sirvetes, Tenzones oder Pastorelles, Menschen zum Weinen bringen kann, selbst König Alfons konnte seinerzeit die Tränen nicht zurückhalten.«
    »Wenn du weiterplärrst wie ein läufiger Kater, dann wein ich auch bald, aber weil ich’s nicht ertrag!«, entgegnete der Zimmermann mürrisch.
    Mittlerweile hatten sich Kinder um sie geschart und fanden es lustig, Ray und Caterina nicht nur zu bestaunen und mit Fingern auf sie zu

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