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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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da hat sie mir erzählt, dass ihre Familie einen Schatz von unschätzbarem Wert besäße.«
    Nun wurde ich neugierig.
    »Was für einen Schatz?«, fragte ich.

Kapitel IV.
Languedoc, Frühling 1284
    Caterina folgte Ray, anfangs ohne zu wissen, wohin die Reise führte, später mit der Einsicht, dass er kein Ziel hatte, weil es für ihn so wenig ein Zuhause gab wie für sie. Während sie darob hätte verzweifeln wollen und es einzig nicht tat, weil sie sämtliche Kräfte zur Erfüllung ihrer Pflicht zu bündeln suchte, schien er damit zufrieden, all den Besitz, den er hatte, in einem kleinen Holzwägelchen mit sich zu führen: Es waren dies schmutzige und vielfach geflickte Kleidungsstücke, ein wenig zu essen (wiewohl das Brot reichlich hart geworden war), viele kleine Ledersäckchen, nach dessen Inhalt sie gar nicht erst fragte, sondern lieber vermied, viele Worte mit ihm zu machen, und Musikinstrumente. Zu welchem Zwecke er diese gebrauchte, erfuhr sie erst später.
    Vorerst erklärte er – wie üblich wortgewaltig, viel Nichtiges ( in seine Rede aufnehmend und solcherart eine Menge sprechend, ohne eigentlich etwas zu sagen –, dass einst ein Maulpferd zu diesem Wagen gehört habe, ihm dann aber eines Tages im Schnee stecken geblieben und dort erfroren wäre. Seitdem habe das Geld nicht gereicht, um ein neues zu kaufen; er müsse das quietschende und ächzende Gefährt selbst ziehen, und es sei nur gut, dass sie jetzt mit ihm ginge, um ihm dabei zu helfen.
    Und das tat sie auch, wenngleich sie nicht recht wusste, ob es sich lohnen würde.
    Am ersten Abend hatte sie ihm die Geschichte ihres Schatzes erzählt, und er hatte ihr aufmerksam zugehört, ohne das spöttische Grinsen, das sonst immer auf seinen Lippen erschien, ohne lästige Fragen. Leider hatte er auch dann nichts gesagt, als sie geendigt hatte.
    »So sag mir doch, was ich tun soll!«, drängte sie, als er sich gelangweilt abwandte. »Mein Vater hat mich im Sterben gebeten, den Schatz zu retten – ist er doch ein Zeichen für seine Rechtgläubigkeit, kein Katharer würde ihn besitzen – und ihn an einen würdigen Bestimmungsort ...«
    »Und was hast du davon?«, fiel er ihr prompt ins Wort.
    »Was meinst du?«, fragte sie verwirrt.
    »Nun, was dein Vater wollte, das habe ich verstanden. Was es dir jedoch bringt, noch nicht. Du könntest«, er verzog abschätzend die Stirn, »du könntest diesen Schatz teuer verkaufen, und so wie’s ausschaut, ist er das Einzige, was du noch hast. Glaub mir, für eine anständige Mitgift langt’s vielleicht. Wenn der Alte ohnehin tot ist, kann er doch nicht mehr prüfen, was sein Töchterlein hier auf Erden treibt.«
    Caterina starrte ihn fassungslos an. Dass er ein liederlicher Schuft war, glaubte sie bereits zu wissen – doch solch abscheuliche Worte übertrafen die schlimmsten Erwartungen.
    »Gott im Himmel würde es ja doch sehen! Nichts bleibt ihm verborgen, jede einzelne Sünde wird in das Buch des Lebens eingetragen. Und nie würde ich das Heiligtum meiner Familie beschmutzen, dem Willen meines Vaters entgegenhandeln, wo es doch heißt, dass man Vater und Mutter zu ehren hat, solange man lebt und ...«
    Er hob abwehrend seine Hände, kniff seine Stirne noch tiefer in Falten, als bereiteten ihm ihre Worte Schmerzen, und unterbrach sie wiederum: »Halt ein! Halt ein! Es reicht für heute. Wir wollen später weiterreden. Jetzt ist es Zeit, uns ein Plätzchen für die Nacht zu suchen.«
    Sie musste hinnehmen, dass er sowohl ihre Worte abwürgte als auch die Zusage schuldig blieb, ihr zu helfen. Nichts anderes blieb ihr übrig, als ihm zu folgen, aus dem Dorf mit seinen heimeligen Lichtern hinaus in die Dunkelheit.
    »Ich such mir immer ein wenig abseits einen Schlafplatz«, erklärte er. »Es heißt zwar, dass in den Wäldern das Diebespack lauere, aber in Wahrheit wirst du doch viel häufiger in den Dörfern bestohlen. Der Erste, der da am Morgen über dich stolpert, wirft gerne einen gierigen Blick auf deinen Besitz – wohingegen dir im Wald zwar manche Nachteule mit ihrem Gekreisch den Schlaf raubt, es den Räubern aber viel zu dunkel und zu einsam ist.«
    Jene Dunkelheit und Einsamkeit schienen ihm keine Angst zu machen. Vor sich hin pfeifend stapfte er in den Schatten eines groß gewachsenen Baums – wohingegen Caterina vor Angst beinahe verging. Eben noch hatte sie mit sich gerungen, überhaupt an seiner Seite zu bleiben, jetzt hätte sie sich am liebsten an ihn gekrallt und ihn nicht wieder

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