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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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begleitete. Und Philippe, der jetzige König, hat manchen Ketzer aus dem Kerker befreit, um ein Zeichen zu setzen, dass Frieden hier eingekehrt wäre.«
    »Ich verstehe nicht ...«
    »Du musst aber verstehen!«, rief er eindringlich. »Nur weil die Dominikaner und Franziskaner nicht länger von Dorf zu Dorf ziehen, um gegen den Irrglauben zu wettern – so gilt doch immer noch das alte Gebot, das beim Konzil von Toulouse festgelegt wurde: Jeder Bürger dieses Landes wurde damals darauf verpflichtet, jegliche Ketzerei sofort anzuzeigen.«
    »Aber ich habe doch nichts getan außer ...«
    »Du hast dich lautstark geweigert, ein Huhn zu schlachten. Die Katharer essen kein Fleisch, verstehst du? Sie richten ihre Ernäherung nach strikten Geboten aus, verweigern obendrein Fisch, Meeresfrüchte, Öl, Wein. Dies war immer das einfachste Mittel, sie auf die Probe zu stellen. Wenn Fremde in ein Dorf kamen, so bot man ihnen Fleisch an, und wenn sie es nicht nahmen, dann bat man sie um Hilfe bei der Schlachtung eines Tieres, und wenn sie auch das verweigerten, so wusste man ... verstehst du?«
    »Ich bin doch keine Ketzerin! Und mein Vater war auch keiner!«
    Die Strenge schwand aus seiner Miene; nachdenklich verzog er seinen Mund, schien mit sich zu ringen, ob er das, was ihm auf der Zunge lag, tatsächlich sagen sollte.
    »Dein Vater war ...«, setzte er schließlich an – und brach ab.
    »Was war mein Vater?«, drängte sie, bereit, Pèire zu verteidigen, wenn nur ein lästerliches Wort über Rays Lippen käme.
    Ray schien ihre Kampfeslust zu erahnen. Seine Anspannung schwand, machte dem Überdruss Platz. »Das Schicksal deines Vaters zeigt«, fuhr er fort, anstatt den vorigen Satz wieder aufzugreifen, »dass der Kampf der Franzosen um dieses Land noch nicht vorüber ist. Das Feuer brennt nicht mehr an allen Orten, aber es lodert dann und wann noch auf. Hab unlängst davon gehört, dass sie im Süden von Albi, in den Cabardès und bei Toulouse noch immer manches Ketzernest vermuten und es ausräuchern wollen. Ich für meinen Teil will nicht der Fraß von Flammen werden, also gib acht, dass du dich unauffällig verhältst!«
    Seine Worte beschworen eine Erinnerung herauf, nicht nur an den sterbenden Vater und das brennende Haus, sondern auch an Aiglina, Fauressa und die anderen Frauen. Wie misstrauisch sie sie angestarrt hatten, als sie ihr seinerzeit das gepökelte Schaffleisch gereicht hatten und Caterina erst überlegen musste, ob denn kein Fastentag war! Wie erleichtert sie gewesen waren, als sie das Fleisch schließlich doch gegessen hatte! Und dann die Alte, die bei Fauressa lebte und die eines Abends gefragt hatte, warum Caterina nichts äße. Sie hatte erst geschwiegen, als Fauressa sie damit beschwichtigt hatte, dass Caterina sehr wohl Fleisch zu sich nahm. Nun erst verstand sie es, dass all diese Frauen den Verdacht geteilt hatten, das heimatlose Mädchen könnte eine Ketzerin Sein
    »Gottlob, dass du eine Frau bist«, murmelte Ray. »Selten kommt’s bei den Katharern vor, dass Frau und Mann gemeinsam durch die Lande ziehen. Haben sie erst einmal den Status erreicht, der sie zu Perfecti macht, das heißt zu Vollkommenen, dürfen Mann und Frau einander nicht mehr berühren.«
    »Ich wollte nicht ...«
    »Ist gut.« Er schüttelte seine Glieder aus und fuhr sich mehrmals nervös mit der Hand durchs Haar. »Jetzt bring ich dir erst mal bei, wie man ein Huhn rupft.«
    Ray verdiente sich nicht nur als Glücksspieler und Jongleur sein Geld. Im Laufe der nächsten Tage erfuhr Caterina, dass er noch eine dritte Einnahmequelle hatte, deren Ergiebigkeit ebenso unsicher war wie deren Rechtmäßigkeit.
    Im nächsten Dorf pries er sich selbst als Apothecarius und Barberius an, und Caterina, die weder den einen noch den anderen Titel kannte, erfuhr auf äußerst unangenehme Weise, was darunter zu verstehen war. Ray zog aus seinem hölzernen Wagen einige vergilbte Beutel, um aus deren Inhalt absonderlich stinkende Mixturen herzustellen, und schwatzte dabei fortwährend auf die Leute ein.
    »Das«, rief er, »ist das beste Mittel, das man sich gegen Haarausfall denken kann. Habt ihr wirklich Lust, euch das glatzköpfige Haupt von der Sonne verbrennen zu lassen? Wollt ihr teures Geld für Seidenfäden ausgeben, auf dass es fülliger wirke? Nein! Nehmt dieses Wundermittel, ach, was sage ich: Zaubermittel, und euer Haupthaar wird sprießen wie jetzo im Frühling das frische Gras!«
    In Windeseile hatte sich ein Grüppchen um ihn

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