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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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gebildet und bestaunte die Ampulle, in der er den Inhalt dreier Säckchen vermengt hatte.
    »Und was soll dies Zaubermittel sein?«
    »Ein Geheimnis, selbstverständlich!«, lachte Ray selbstbewusst zurück.
    Caterina gegenüber war er auskunftsfreudiger. Als sie ihn fragte, Welche Rezeptur er denn anwende, bekannte er freimütig, dass sich jene Tinktur aus Brennnesseln, Klettenwurzeln und Blutegeln zusammensetze, wobei Letztere zu einem Pulver gebrannt worden waren.
    Sie verzog angewidert das Gesicht.
    »Das ist ekelhaft, Ray!«
    »Ach, das ist noch gar nichts. Gegen unerwünschten Haarwuchs auf Rücken und Arsch nehme ich anstelle der Egel Fledermausblut.«
    Gleichwohl die Dorfbewohner die abscheulichen Zutaten nicht kannten und Ray neugierig lauschten, wenn er die Mittelchen anpries, zeigten sie sich nicht bereit, sie zu erproben. Keine einzige Ampulle mit der Haarkur brachte er an den Mann, sodass er nach der Mittagszeit seine Taktik änderte und die Menschen nicht länger an der Eitelkeit zu packen versuchte, sondern an ihren Schmerzen.
    »Hier habe ich getrocknete Maulbeeren gegen die Mundfäule! Und wenn ihr an Kopfweh leidet, dann kann ich euch diese Arznei empfehlen: Wurzeln des Ginsters, Spargelspitzen und getrocknete Gräser, vermischt mit anderhalb Handvoll Anis, Fenchel und Kümmel. Ist denn keiner von euch krank? Ich könnt euch sämtliche faulen Zähne ziehen, und ich schwöre, es tut kaum weh!«
    »Mit diesen Worten kannst du Jungfrauen einlullen, ehe du sie ins Bett zerrst!«, höhnte einer der Männer. »Vor einem wie dir aber öffne ich ganz bestimmt nicht das Maul.«
    Die Beleidigung prallte an Ray ab. »Aber, aber«, spottete er gutmütig. »Ich habe schon schlechtere Ärzte gesehen, als ich einer bin.«
    »Was davon kommt, dass es keine echten Ärzte waren. Genauso wenig wie du einer bist.«
    Er zuckte leichtfertig die Schultern, nur das kecke Lächeln um seinen Mund glättete sich kaum merklich. »Ich für meinen Teil hätte gern in Montpellier studiert. War eben kein Geld dafür da ... Aber was ist nun? Keine Krankheiten? Wo sind die Damen, die sich nach einem Liebsten sehnen und mit ein wenig Zauber nachhelfen wollen?«
    »Ha!«, schrie eine der Angesprochenen. »Das letzte Mal als sich hier einer wie du herumtrieb, hatte der ein Mittelchen mit Nieswurz bei sich. Sagte, es mache Männer geil. In Wahrheit hat manch gutes Weib den Gatten fast damit vergiftet!«
    »Was manche von diesen Weibern auch nicht sonderlich gereut hätte ...«, sprach der Alte von vorhin.
    »Ach du!«, schimpfte das Mädchen. »Du verstehst doch gar nichts.«
    Der Nachmittag schritt voran, ohne dass sich Rays Geschäft als gewinnbringend erwies. Als die Neugierde nachließ und seine Stimme rau vom Rufen wurde, stieg er vom Holzkarren, von dessen erhöhter Position aus er geworben hatte, und wischte sich den Schweiß von der Stirne.
    »Wart mal hier«, sprach er zu Caterina. »Ich brauch eine Pause.«
    Unverhofft fand sie sich allein mit dem Wagen. Angewidert wandte sie sich von den Beutelchen und Ampullen ab, gewiss, dass allein deren Anblick ihre reine Seele schmutzig machte.
    Kaum besser als Spiel, Tanz und Gesang konnte sein, was Ray hier trieb. Zweifelnd nahm sie ihr Bündel, presste den Schatz an sich.
    »Heilige Jungfrau, was soll ich nur tun«, flüsterte sie. »Geh ich von ihm, bin ich ganz alleine! Bleib ich bei ihm, wird er mich noch mit ins Verderben reißen!«
    Gefährlich hoch stiegen die Tränen, die sie seit dem Tod des Vaters stets bezwungen hatte. Um ihrer Herr zu werden, ließ sie sich auf die Knie fallen, wollte ein Pater noster anstimmen.
    Doch ehe sie die ersten Verse murmeln konnte, wurde sie gestört – diesmal jedoch nicht von Ray, sondern von spitzen, gequälten Schreien.
Corsica, 251 n.Chr.
    Als ich Julia Aurelia wiedertraf, sah sie vollkommen verwandelt aus. Die Tunika, die sie diesmal trug, war nicht von verwaschenem Blau, sondern strahlend weiß und mit schmalen goldenen Bändern verziert. Ihre Augen glänzten in einem kräftigen Blaugrün, dem Meere gleichend, das sein Antlitz änderte, sobald die Sonne es blendet. Julias Augen waren mir unheimlich, nicht der ungewöhnlichen Farbe wegen, sondern weil sie auf mich gerichtet waren. Es war dies bei einem Abendessen, zu dem der neue Proconsul auf Corsica Felix Gaetanus geladen hatte. Es mag euch erstaunen zu hören, dass Julia Aurelia bei diesem zugegen war. Doch ich wusste damals bereits von ihrem Reichtum und dass sie die Tochter des

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