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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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hier an der herberen Luft, vor allem aber am Alleinsein. Manchmal war es leichter, meine Hoffnungen zu beleben, wenn ich nicht in Gaetanus’ Nähe war, sondern fern von ihm. In der Erinnerung war sein Blick nie so blank gescheuert, seine Lippen nie so schmal, sein Gesicht nicht so tönern weiß. In meinem Kopfe begann er eher zu atmen und zu leben als in Wirklichkeit.
    Da trat Julia Aurelia plötzlich auf mich zu. Ihre Augen glänzten nun matter; auf ihren Lippen kräuselte sich ein Lächeln, ebenso mitleidig wie warm.
    »Ich wollte dich nicht verschrecken, Krëusa«, sagte sie. Ihre Stimme klang zärtlich; nichts hatte sie mit dem schrillen Geschrei eines Marktweibes gemein, dem sie damals am Hafen geglichen hatte. Gleichwohl sie flüssig sprach, klang in manchen ihrer Worte ein merkwürdiger Akzent durch. Erst später erfuhr ich, dass dieser von der punischen Sprache rührte, mit der sie in Carthago aufgewachsen war und die von den dortigen Kaufleuten gesprochen wurde.
    Ich schüttelte den Kopf »Du darfst nicht mit mir sprechen, Clarissima, ich bin eine Sklavin. Die anderen sehen durch mich hindurch.« Die Worte kamen rau aus meiner Kehle. Ich sprach von allen Menschen – aber ich meinte Gaetanus.
    »Ich aber sehe dich«, sagte sie da. »Und ich kenne nun auch deinen Namen.«
    Ich zuckte zusammen, erschauderte, wurde von etwas gerüttelt, das ich nicht kannte. Es stellte sich als Zorn heraus, wilder, glühender Zorn, ein Bruder der Ohnmacht und der Verzweiflung. Ihre Worte verhießen keinen Trost, eher eine Beleidigung. Wie konnte sie wagen, etwas zu sagen, was ich mir doch so sehnlichst von Gaetanus erwünschte? Der Zorn trieb Tränen in meine Augen.
    »Weine nicht«, meinte Julia, trat dichter zu mir her, legte ihre Hand auf meine Schultern. Ihre Finger waren lang und dünn, wiewohl aufgeraut. »Du musst doch nicht weinen!«
    »Du weißt doch nicht, warum ich weine!«
    »Nun, warum weinst du?«
    Ich sagte es nicht laut. Weil ich mich einsam fühlte. Weil ich nicht wusste, was ich tun sollte, um Gaetanus’ Achtsamkeit auf mich zu ziehen.
    »Was ist es, was du dir erhoffst ... und offenbar nicht bekommst?«, fragte sie weiter.
    Was für eine merkwürdige Frau! Die Wahrheit lag mir auf den Lippen; sie wollte aus mir heraus, sich vor ihr entblößen. Ich vertraute ihr nicht, doch ich hatte das Gefühl, dass sie mit meinem Bekenntnis anders umgehen würde als jeder andere Mensch. »Erhofft sich nicht jede Frau die Liebe eines Mannes?«, fragte ich. »Vor allem ... wenn sie selbst diesen Mann liebt?«
    »Und warum liebt sie ihn?«, gab sie schlicht zurück.
    Was für eine Frage! Meine Liebe für Gaetanus war einfach da gewesen, ohne dass sich mir deren Grund erschlossen hätte. Ich glaube nicht, dass Liebe einen Grund braucht – wie sie auch ganz ohne jede Aussicht auf Erfüllung wächst.
    »Eine jede Frau wünscht sich doch einen Mann ... der zu ihr gehört.«
    Julia lachte auf. Da war er wieder – dieser schrille, ein wenig blecherne Ton, der so gar nicht zu einem Mädchen passte. Er klang, als hätte sie des Lebens Mitte längst überschritten und wäre in dessen Verlauf zu oft enttäuscht worden, um noch irgendetwas mit gutmütiger Leichtgläubigkeit und Offenheit anzuhören.
    Ihr Lachen verstummte, als sie sah, wie ich gekränkt die Lippen zusammenkniff. Dann sagte sie etwas ebenso Absonderliches wie Erschreckendes.

Kapitel V.
Languedoc, Frühling 1284
    Der schrille Schrei, der Caterina so erschreckt hatte, tönte aus der Kehle eines Mädchens, und im Leib von diesem musste der Satan hocken. Gewiss schlitzte er es von innen her mit seinem Dreizack auf, um ihm die Seele zu rauben – wobei diese Seele nicht allzu rein sein konnte, wenn sie des Satans Angriff mit derartiger Wucht herausforderte. Wahrscheinlich war diese Seele längst verloren – so wie das Leben des Mädchens.
    Das dachte Caterina, als sie das ebenso bedauernswerte wie abstoßende Geschöpf betrachtete, das – getrieben von seinem Leiden – bis zum Marktplatz gelaufen gekommen war, um hier zusammenzubrechen und sich stöhnend den Leib zu reiben. Jener zuckte und verzerrte sich, rollte auf dem staubigen Boden hin und her, ein groteskes Schauspiel, das nicht nur Caterina herbeilockte, sondern manchen Gaffer. Schon stand ein kleines Grüppchen kreisrund um die Kranke, die Gesichter mal voll Erbarmen, mal voll Abscheu.
    »Die ist hinüber!«, stellte ein älterer Mann schließlich fest – und sprach aus, was Caterina dachte. »Die kann man

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