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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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verwirrt.
    »Später ... ich erzähl’s dir später, aber jetzt müssen wir fort!«
    Caterina sah sich um. Die beiden Frauen hatten das Weite gesucht, und auch sonst wollte sich niemand hilfreich zeigen. Sich selbst freilich traute sie es nicht zu, Ray aus eigenen Kräften aufzurichten. Sein Leib war um vieles größer gewachsen und schwerer als der ihre.
    Wenn er doch nur nicht hier am Kirchenportal liegen würde!, ging ihr unwillkürlich durch den Kopf. Gewiss hatten die Frauen recht, und er würde mit seinem Blut den heiligen Ort entweihen!
    »Ach Ray«, schimpfte sie hilflos. »Was soll ich nur tun?«
    »Geh ... geh zu meinem Wagen«, stöhnte er. »’s ist vielleicht noch etwas Leinen da ... und Medizin, um mein Blut zu stillen.«
    Sie bezweifelte ernsthaft, dass sich in seinem Besitz Nützliches befinden könnte, ganz zu schweigen von einem echten Heilmittel, wo sie ihn doch mit solchem nur hatte betrügen sehen.
    Dennoch war es ihr lieb, seiner Aufforderung folgen und ihn liegen lassen zu können. Hastig rieb sie sich die fleckigen Hände an ihrem Kleid ab und seufzte erleichtert, als sie halbwegs rein schienen.
    Der Wagen, wo war der Wagen?
    Sie hatte sich die Suche schwerer vorgestellt, doch was immer Ray auch geschehen sein mochte – es hatte sich nicht weit von Saint-Nazaire zugetragen, denn dort hinten erkannte sie schon das Gefährt, in dem sich sämtlicher Besitz befand.
    Kurz wunderte sie sich, es unbeschadet vorzufinden, anstatt von seinen Angreifern geraubt. Dies musste doch der Grund für seine Verletzungen sein? Dass Diebespack ihn überfallen hatte?
    Sie verschob den Gedanken daran, begann fieberhaft den Wagen zu durchstöbern, nicht gewiss, wonach sie eigentlich suchen sollte. Längst waren fast sämtliche Ampullen, die er mit sich geführt hatte, aufgebraucht, desgleichen die Ledersäck-chen, in denen sich übel riechende, vertrocknete Krümel befanden, die Caterina gar nicht erst ansehen wollte.
    Zu ihrem Erstaunen fand sie in der Tiefe des Wagens ein paar Streifen Pergament – obendrein beschrieben. Sie hatte nicht gewusst, dass Ray des Schreibens mächtig war – desgleichen, wie sie nicht wusste, welchem Zweck diese Seiten dienen sollten. Flüchtig überflog sie eine davon, erkannte eine Rezeptur gegen Bauchschmerzen und generelles Schwächegefühl: geriebene Mandeln, Anis und »Pinyonat« – gestampfte Pinienkerne – dazu ein wenig »rosata novella«, eine Mischung aus gezuckerten Rosen und Süßholz, Zimt, Muskat und Ingwer.
    Sie hatte keine Zeit zu ergründen, ob dieses Rezept von einem ernst zu nehmenden Apothecarius stammte oder ob Ray es selbst – in Unkenntnis der wahren Heilkräfte der benannten Zutaten – zusammengestellt hatte. Sie kramte weiter, stieß auf einen weiteren Fetzen Pergament, diesmal war von Zitronenschale die Rede, die man in Wasser einweicht und danach in Rosenwasser kocht, bis sich diese Mixtur verdickt. Anschließend wurden einige Gewürze hinzugefügt – und was dabei herauskäme, hülfe gegen Schmerzen im Magen, ein unruhiges Herz und cholerische Anwandlungen des Gemüts.
    Unnützes Zeug! Wenn er doch ein sauberes Leinentuch hätte, auf dass sie damit seine Wunden reinigen könnte! Doch ihr geriet nichts anderes in die Hände als zwei durchgeschwitzte Hemden, obendrein zerrissen und fleckig. Und hier ... war dies zu gebrauchen? Ein Gürtel, mit einer gar seltsamen Schnalle, viel größer, als sie üblich waren. Sie hatte nie gesehen, dass Ray dergleichen trug.
    Caterina hatte noch nicht entschieden, ob sie tatsächlich mehr darüber wissen wollte, als sie sie schon instinktiv öffnete. Ein Hohlraum befand sich in dieser Schnalle, und jener war nicht leer, sondern beinhaltete ein kleines Lederbeutelchen – ähnlich jener, in denen er die vermeintlichen Heilmittel aufbewahrte.
    Neugierig öffnete sie das Ledersäckchen – und erstarrte. Sie hörte sich aufschreien, als sie dessen absonderlichen Inhalt erkannte.
Corsica, 251 n.Chr.
    Sie starrten mich an, die Menschen, die sich in jenem Haus versammelt hatten. Es war karg, der Boden steinig und voller Schmutz. Es gab keine Sofas, nur dünne Matten, auf denen sie saßen. In der Mitte war ein nicht minder schlichtes Mahl bereitet; ich erblickte die Brotlaibe, die Julia im Haus des Gaetanus an sich genommen hatte. Julia selbst wagte ich nicht anzuschauen – ich, die ich von diesem fremden Mann ertappt worden war. Er hatte mich hineingezerrt und erklärte nun laut und erbost, dass ich heimlich am Fenster

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