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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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als ansonsten die ihre. »Lass mich einfach in Ruhe!«
    Trotz meiner heftigen Worte fehlte mir die Kraft weiterzulaufen. Langsam kam sie auf mich zu.
    »Krëusa, du warst es doch, die mir gefolgt ist ...«, sprach sie ruhig.
    Erst jetzt, in diesem Augenblick, gestand ich mir ein, dass sie mir Angst machte. Ja, ich war ihr gefolgt; ich hatte mir gewünscht, sie bei irgendetwas zu ertappen, das sie zur gewöhnlichen Frau gemacht hätte. Doch wie sie da vor mir stand, vermeintlich voller Mitleid und zugleich mit jenem Blick, der mir so hart, so unbeugsam erschien, da war sie mir unheimlicher als je zuvor.
    »Wer sind die Menschen, mit denen du zusammensitzt?«, fragte ich krächzend. »Was ist das für ein Schatz, den du besitzt? Wer bist du, Julia?«
    Ich hätte weinen können, gleichwohl es keinen rechten Grund dafür gab.
    »Ich bin eine, die dich bei deinem Namen ruft«, antwortete sie schlicht. Sie hob ihren Arm, schien mich wieder streicheln zu wollen, wie damals, da sie mich im Garten abgefangen hatte.
    Unwirsch wich ich zurück.
    »Fass mich nicht an!«, rief ich. »Ich muss zurück zu meinem Herrn.«
    »Wirst du ... wirst du ihm erzählen, was du gesehen hast?«, fragte sie. Sie klang nicht lauernd, nicht ängstlich.
    Vielleicht war es ihre Gleichgültigkeit, die es mir leicht machte, eine Entscheidung darüber zu fällen, was ich tun würde.

Kapitel VIII.
Languedoc und Roussillon, Frühling 1284
    Caterina starrte in den absonderlichen Inhalt des Lederbeutels, als sie in den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Sie fuhr herum und erblickte Ray, immer noch mit blutüberströmtem Gesicht und geschwollenen Augen, doch stark genug, um aus eigenen Kräften zum Wagen zu humpeln. Offenbar hatte nicht nur sein Gesicht Faustschläge abbekommen, sondern auch sein Magen, denn nach jedem dritten Schritt krümmte er sich und stieß unverständliche Flüche aus.
    »Ray ... Ray, was ist das?«, fragte Caterina und hielt ihm den Lederbeutel vors Gesicht. Der Klumpen darin sah wie ein Stück verdorbenes, eigentlich schon verwestes Fleisch aus – und roch ebenso. Schon all die anderen Arzneien, die er verkauft hatte, hatten oft ekelhaft gestunken, doch waren sie meist so klein gerieben, dass man die eigentlichen Inhaltsstoffe nicht mehr erkennen konnte. Unter das übliche Mahl vermischt oder mit einem Schluck Wasser eingenommen, war es wohl denkbar, dass einer sie schluckte, der an ihre Wirkung glaubte. Caterina konnte sich jedoch nicht vorstellen, dass irgendjemand freiwillig diesen üblen, gerunzelten Bissen zu sich nehmen würde.
    »Das geht dich nichts an!«, schnaubte Ray ungewohnt streng. »Und wir müssen fort von hier! Schnell!«
    »Aber ...«
    »Leg es dahin zurück, wo du es herhast. Und beeil dich!«
    Seine Miene war so grimmig verschlossen und immer noch von Schmerzen entstellt, sodass Caterina keine Widerworte wagte. Hastig steckte sie den Lederbeutel wieder in die Gürtelschnalle, warf alles in den Wagen zurück und schob jenen in die Richtung, die Ray vorgab. Zu ihrem Erstaunen war es nicht der Weg über die Grenze, sondern jener zurück auf französischen Boden.
    »Ich dachte, wir wollten hier in Carcassonne über die Grenze nach Aragón!«, warf sie verwirrt ein.
    Ray stützte sich mehr auf den Wagen, als dass er ihn schob. Jeder Schritt schien seine Schmerzen zu vergrößern.
    »Geht nicht! Das dauert jetzt zu lange!«, murmelte er knapp und duckte sich plötzlich halb unter den Wagen, damit er nicht gesehen werden konnte. Schon hatten sie das Stadttor erreicht, durch das sie gekommen waren. »Ich darf mich hier nicht wieder blicken lassen«, fügte er hinzu.
    »Warum nicht? Wer ist es denn, vor dem du davonläufst und der dich nicht sehen darf? Und wer hat dich überhaupt so zugerichtet?«
    Er zögerte, schien damit zu ringen, ob er ehrlich sein sollte oder ob es besser war, sie anzulügen.
    »Also – wer?«, drängte sie erneut.
    Erst als sie am Fuß der Anhöhe ankamen, auf der die Feste errichtet war, setzte er zu weiteren Erklärungen an, wenngleich er – anders als sonst – an Worten sparte und seine Sätze so knapp wie nur irgend möglich ausfielen.
    »Hatte mal ein Mädchen hier. Ist lange her. Sein Vater hat mir aufgelauert. Denkt wohl, ich hätte der Tochter ein Kind gemacht. Stimmt aber nicht. Ich pass doch auf. War gewiss ein anderer, für den diese Schlampe ihre Beine spreizte. Verflucht! In jedem Fall war er drauf aus, mich zu erschlagen. Grade noch konnte ich davonlaufen, mich in Sicherheit

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