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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Zumindest abergläubisch bist du doch, wenn du fortwährend diese grässliche Hasenpfote trägst.«
    Er hielt grinsend jene Hand hoch, an dessen Gelenk sie baumelte. »Ach das ... ein Spiel ... aber wer weiß, vielleicht hat das Pfötchen mich schon vor den vielen Flüchen bewahrt, die du gegen mich aussprichst.«
    »Ich bin nicht die, die über dich richtet. Aber der Allmächtige wird’s tun. Wart nur! Wart nur ab!«
    »Und du wirst dann danebenstehen und dich daran erfreuen, wie ich im Höllenfeuer brenne, nicht wahr?«, scherzte er, aber es klang auch ein wenig bitter.
    Sie wollte grimmig nicken, als sie plötzlich erstarrte. Seine Worte ließen sie wieder an den Mann denken, den ketzerischen Richarz Marty, der gewiss schon auf dem Scheiterhaufen umgekommen war. Ob Gott ihm einen gnädigen Tod geschenkt hatte und er rechtzeitig erstickt war? Oder ob die Flammen grausam an ihm geleckt hatten?
    Sie schauderte. Nun, da es vorbei war, war sie Ray dankbar, dass er sie fortgezerrt hatte, dass sie dem Spektakel doch nicht zugesehen hatte.
    Er merkte nichts von ihrem Unbehagen, zog ruckartig am Wagen, zum Zeichen, dass das Gespräch beendet war. »Nicht stehen bleiben. Wir müssen weiter. Morgen kommen wir nach Carcassonne.«
    Im Jahre 1258 war im Vertrag zu Corbeil am Pas de Salses die Grenze zwischen Aragón und Frankreich festgelegt worden. Alles, was südlich davon war, blieb katalanisch, alles nördliche Gebiet wurde französisch, mit Ausnahme von Montpellier.
    Ray berichtete Caterina davon, nicht nur, um ihre Neugierde zu stillen, denn nach der Verbrennung des Ketzers stellte sie kaum mehr eine Frage an ihn, sondern weil er in jenen Momenten, da er nicht seinen Betrügereien nachging, alte Bekannte traf, um mit ihnen zu schwatzen, zu trinken und zu spielen (den Männern) oder sie zu umwerben und zu verführen (die Frauen), die Stille schlecht ertrug.
    Caterina sah er beim Reden kaum an, und manchmal dachte sie, dass er auch mit Bäumen sprechen würde, wäre sie nicht vorhanden, desgleichen mit den Felsen und den Büschen, wenn er solcherart nur nicht zum Schweigen verdammt wäre.
    So erfuhr sie also, dass Carcassonne eine der Grenzstädte zwischen Aragón und Frankreich war. Ausführlich schilderte er die Besonderheit dieser Stadt – dass nämlich rund um sie ein riesiger Mauerring errichtet worden war, mit runden Türmen und einem tiefen Graben davor. Das war 1226 geschehen, und seitdem waren die Bauarbeiten immer wieder aufgenommen worden, um anfangs – nach der Belagerung des Raimon Trencavel – allen die bedrohliche Größe und Mächtigkeit der Burg vor Augen zu führen, und später – unter König Louis und jetzo unter König Philippe – deren Schönheit hervorzuheben.
    Caterina verdrehte einige Male die Augen, gewiss, dass auch für den Fall, dass jene Burg das größte aller möglichen Gebäude wäre, Gott keinen Gefallen daran finden würde. Hatte jener nicht bereits den dreisten Turmbau zu Babel seinem verdienten Ende entgegengeführt?
    Als sie jedoch die Stadt erreichten – in Wahrheit eigentlich nur die Vorstadt, die Bastide, so stockte ihr doch der Atem. Trübe war der Tag, das rötlich-gelbe Land unter einem grauen Schleier versunken, den der trockene Wind nur zu kitzeln, nicht zu vertreiben mochte. Und doch trotzte das mächtige Mauerwerk mit klaren Formen dem unreinen Himmel, ließ sich von ihm nicht verschlucken – und offenbarte sich als nahezu riesig.
    »Hab’s dir doch gesagt«, meinte Ray, als er ihren Ausruf der Überwältigung vernahm, »dass es dir gefallen wird.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass es mir gefällt«, antwortete sie schnell.
    »Wie auch? Ist ja Teil der schlechten Welt. Wenn ich ehrlich bin, ist’s wohl auch nicht angeraten – das mit dem Gefallen. Denn die Franzosen, die hinter diesen Mauern hocken, sind ein arrogantes Pack. Hoffe, wir kommen heil nach Aragón.«
    Er schüttelte einmal seine Glieder durch.
    »Könnte ... könnte es sein, dass man uns aufhält?«, fragte sie bang.
    Er winkte ab. »Lass mich nur machen. Aber zuvor muss ich noch ein paar Einkäufe tätigen, bei denen ich dich nicht brauchen kann. Und ich weiß auch schon, wo ich dich am besten warten lasse.«
    Gemeinsam mit der Menschenmenge, die tagsüber die Burganlage am Hügel erklomm, machten sie sich auf den steilen Weg und gerieten mitten in das allgemeine Gehetze, Gekeuche, Geschiebe. Längst achtete Caterina nicht mehr auf die Burg, sondern auf den eigenen sicheren Tritt, auf dass sie im

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