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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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lachte grell wie eh, aber wich Caterinas Blick plötzlich aus. Kaum fiel es ihr auf. Nur kurz durchzuckte sie die Frage, ob er etwas zu verbergen hatte, wenn er, der ihrer strengen Miene so gern gespottet hatte, jene plötzlich mied.
    Ray blieb merkwürdig verschlossen.
    Immer weiter kamen sie nun in den Süden, wo die Frühlingssonne die klamme Nebelwand versengte und selbst Caterina dazu verleitete, manchmal den starr gesenkten Blick, den sie sich angewöhnt hatte, um möglichst wenig erschauen zu müssen, gen Himmel zu heben und sich von ein paar der kitzelnden Strahlen necken zu lassen. Die feuchten Kleider trockneten, und sämtliche Lasten schienen leichter zu werden.
    Nur Ray wirkte betrübt. Kaum, dass er ihr mehr über die hiesigen Könige erzählte noch von der nächsten Stadt verriet, die sie erreichen würden. So blieb’s ihr selbst überlassen, die Landschaft zu mustern und zu gewahren, wie sie sich – in Meeresnähe – langsam wandelte. Die Bäume ihrer Heimat waren gerade gewachsen – wie aufrechte Männer, die ihren Kopf forsch und stolz gen Himmel strecken. Nicht weit von der Küste jedoch schienen sie sich zu krümmen, auf allen vieren zu gehen, sodass nicht nur die Beine, sondern auch die Hände in den Boden verwurzelt schienen. Und immer wieder ward der Wald glatzig; bräunlich-rote Erde klaffte zwischen dem dunklen Grün.
    Schließlich gab’s nicht nur Natur zu erschauen, sondern dichter werdende Häuserketten, deren Dächermeer schon von ferne die Stadt ankündigte.
    Erst jetzt war Ray bereit, wieder zu sprechen.
    »Kann sein, dass unsere Wege sich bald trennen, Base«, spottete er, ohne erkennen zu lassen, ob ihn dies mit Wehmut oder Erleichterung erfüllte.
    »Das heißt, wir sind in Perpignan?«
    »Oder Perpinyà, wie’s die Katalanen nennen.«
    Schon in Carcassonne war Caterina von dem Gewühle verstört gewesen, das in der Nähe des Stadttors immer dichter und drängender wurde. Hier freilich schien jene Geschäftigkeit noch schriller, noch lauter, noch schmutziger zu sein. Nicht nur, dass die üblichen Händler und Bauern mit ihren Waren auf der Ge- neralis via, der größten Straße, zum Marktplatz zogen. An jeder Ecke schien obendrein gebaut zu werden: Da wurde in den ärmlichen Vierteln Holz geschleppt und notdürftig aneinandergezimmert. Da wurde anderswo Lehm gestampft, und wieder anderswo schlichtete man graue Steine, wie sie hierzulande üblich waren, übereinander, in der Eile und Hektik oft so schief, dass Caterina sich fragte, wie solch ein Bauwerk auch nur einen Tag überstehen konnte. Dunkler sahen die Menschen hier aus als in ihrer Heimat, und alles, was sie taten, wurde von aufgeregten Worten verfolgt, in denen der Schalk ebenso plötzlich hervorblitzen konnte wie der Zorn. Ihre Laute waren anfangs fremd, doch Caterina, der Sprache ihrer lombardischen Vorfahren mächtig, glaubte mit der Zeit manches Wort zu verstehen.
    Obwohl alsbald erschöpft von dem Lärm, den Gerüchen und den vielen Leibern, hielt sie allem besser stand als damals in Carcassonne.
    »Warum werden hier so viele Häuser errichtet?«, stellte sie eine der seltenen Fragen an Ray, zu denen sie sich von sich aus entschließen konnte.
    Er zuckte die Schultern. »Als ich das letzte Mal hier war, zählte die Stadt kaum mehr als zwölftausend Seelen. Müssen jetzt fast doppelt so viele sein, Bauern in der Umgebung, die’s leid sind, den harten Boden zu beackern, und lieber weben und spinnen wollen, auch wenn sie dann oft in einer stinkenden Gerberei landen, wo sie so lange das Leder beizen, bis sie von den Dämpfen blind werden.«
    »Das muss schlimm sein«, murmelte Caterina. Sie konnte nicht verstehen, dass jemand dieses Gewühle hier freiwillig suchte, sein bisheriges Leben auf dem Lande aufgab und eine ungewisse Zukunft in der Stadt wählte. Gewiss, auch sie hatte von der Heimat lassen müssen – jedoch erzwungenermaßen, nicht aus freien Stücken.
    »Trotz allem Elend ist’s wohl richtig, dass man die Zukunft hier nicht nur in bäuerliche Hände legt«, meinte Ray jedoch. »Es heißt, das Land hier ist so viel ärmer als sein Nachbar Frankreich. Nun sucht der arme König Jaume, der von seinem Bruder so geknebelt wird, wohl alles zu tun, um zumindest die Hauptstadt seines Reichs Mallorca zu beleben, indem er die Herstellung und den Handel mit Stoffen ausbaut.«
    Hernach schwieg er wieder. Erst als sie – an der großen, dicken Stadtmauer entlang – mühsam den Hügel bestiegen hatten, der im Süden

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