Die Tochter des Ketzers
er aus. »Solch ein Preis ist lachhaft! Ich will mindestens zehn Goldstücke!«
»Ha! Die Währung der Heiden! «
»Nun und? Auch König Jaume der Große hat sie benutzt. In Montpellier wird sie gern genommen, und selbst die Kaufleute von Marseille ziehen mittlerweile das Gold dem Sous vor, ob’s nun von den Muselmanen stammt oder nicht. Kurz und gut: Ich will zehn Goldstücke!«
»Und du glaubst dich in der Lage, Forderungen zu stellen?«, fragte Davide. »Du bist auf meinem Schiff, Ray, wo jeder einzelne Mann mir gehorcht. Und du hast recht: Ich bin ein genuesisches Schlitzohr, und gerade deswegen habe ich keine Scheu, dich zu erpressen. Kannst du schwimmen, Ray? Wenn ja, hast du Glück gehabt, die Küste ist gleich dort hinten. Falls nicht, hättest du ein Problem für den Fall, dass ich dich von meinen Männern über Bord werfen lasse.«
Ray lachte nervös auf. »Davide, nun sei doch nicht ...«
»Du Schuft!«, schrie Caterina, nachdem sie ihren Mund endlich freibekommen hatte. »Du dreckiger, nichtsnutziger Schuft! Du hast es von Anfang an geplant, nicht wahr? Das allein war der Grund, warum wir nach Aragón aufgebrochen sind! Nicht, weil du mich zu einem Bischof bringen wolltest, sondern nur weil du dieses scheußliche Geschäft ...«
Wieder versuchte sie, auf ihn einzuschlagen, und diesmal gelang es ihr, ihn mit der Faust auf der Brust zu treffen, ehe er sie wieder festhielt. Eine Weile rangelten sie keuchend miteinander.
»Caterina«, versuchte er sie zu mäßigen, »Caterina, jetzt hab dich nicht so. Ich brauch das Geld. Noch mehr als du. Hab in der Heimat Schulden gemacht. Dachte, ich könnte vor diesen Wucherern davonlaufen, aber sie haben mich bis nach Carcassonne verfolgt. Und ewig will ich nicht in Aragón oder Mallorca weilen. Wenn du so dumm warst, ernsthaft zu glauben, dass irgendein Gottesmann sich um ein dahergelaufenes Mädchen scheren würde ...« Er wandte sich wieder an den genuesischen Kaufmann. »Also Davide, du hast’s gehört, sei kein Geizhals! Wie lange kennen wir uns jetzt? War ich nicht immer der, der dir selbst die absonderlichsten Dinge besorgt hat? Nichts ist einem wie mir unmöglich!«
»Grade weil ich dich kenne«, setzte Davide ungerührt an und achtete nicht auf das tobende Mädchen, »biete ich dir fünfzig Sous anstelle von gar nichts. Ich will meine Seele schließlich [ dereinst weich im Himmelreich betten und nicht neben dir in der dreckigen Hölle hausen.«
Er warf den Köpf zurück und lachte. Für einen Augenblick schwankte Caterina darin, wen der beiden Männer sie mehr verachten sollte, den selbstsüchtigen Kaufmann oder den betrogenen Betrüger Ray.,
Ehe sie sich entscheiden konnte, riss Davides Lachen ab. Es verstummte nicht einfach nur, es schien zu ersticken.
Niemand hatte den Pfeil kommen sehen, der direkt auf Davides Hals zielte – weder er selbst noch Ray noch Caterina. Mit einem leisen Zischen flog er an ihnen allen vorbei und wäre fast eine Sinnestäuschung geblieben – wenn sich Davide nicht plötzlich japsend an den Hals gegriffen hätte und totenbleich in die Knie gesackt wäre.
Caterina fühlte, wie Ray zuerst erstarrte, sich dann sein Griff lockerte, gleich so, als wäre er auch getroffen worden. Sie blickte in sein Gesicht, um das, was da unverhofft geschehen war, zu deuten. Zuerst dachte sie noch, dass Ray selbst unzweifelhaft etwas mit diesem Pfeil zu tun haben müsste, dass er ihn – wenn schon nicht selbst abgeschossen – irgendwie befohlen haben müsste.
Doch in Rays Blick spiegelte sich das Gleiche wie in den Gesichtern von Davides Männern, die nach den Waffen griffen – Verwirrung, Furcht, zuletzt tiefes Entsetzen, weil sich jener Griff zu den Waffen nicht mehr lohnte. Lautlos und ohne Vorwarnung hatte sich der Pfeil genähert, und mit ihm kamen Boote, hatten schon Davides Schiff umkreist; dunkel gewandete Männer entstiegen ihnen, zogen sich geschickt an jenen Stricken herüber, die sie mit silber glänzenden Haken an der Reling festgemacht hatten, und spannten, kaum dass sie – mehr tänzelnd als mit ernsthafter Leibesmühe – das Deck erreicht hatten, ihre Bogen. An die zwanzig Pfeile waren nun auf Davides Mannschaft gerichtet.
Vorhin, in Collioure, hatte sich Caterinas Unbehagen langsam angedeutet. Nun traf sie die Furcht wie jener Faustschlag, den Ray ihr versetzt hatte, noch schmerzhafter, noch wuchtiger.
»Ray ... was ... was ...«
Sie brachte es nicht fertig, die Frage stammelnd zu vollenden; noch während sie sich
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