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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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mich herabsah, unergründlich wie immer, aber nicht blind. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss, und unwillkürlich griff ich zu der kostbaren Nadel, die Julia mir geschenkt hatte. Ob er sie bemerkte? Ob er mich zur Rede stellen würde, weil ich solchen Schmuck nicht besitzen durfte? Aber er blickte nicht streng oder abweisend.
    Vielleicht machte mich diese Haarnadel schön. Vielleicht dachte er, was für ein hübsches Mädchen sie geworden ist. Oder er dachte: Diese Krëusa. Er kannte ja jetzt meinen Namen.
    Ich weiß nicht, wie lange wir so voreinander standen, er, der mich anstarrte, ich, die dieses Glück kaum fassen konnte. Genau besehen war es nicht wirklich angenehm, diese Hitze in meinem Gesicht, dieses Grummeln in meinem Magen, dieses heftige Herzpochen.
    »Du warst ... du warst bei ihr?«, fragte er da. Er erhob seine Stimme kaum, flüsterte nur.
    »Ja, mein Herr«, erwiderte ich schlicht.
    »Das ist gut«, sagte er, erklärte nicht weiter, warum er auf mich gewartet hatte, und wandte sich ab, um mich wieder allein zu lassen.
    In den nächsten Wochen wiederholte sich alles stets aufs Neue. Ich war bei Julia, sie sprach viel, weigerte sich, mich tun zu lassen, wozu ich hergekommen war, erlaubte jedoch, dass ich mich an ihrer statt frisierte. Sie schenkte mir schön verzierte Fibeln, eine Halskette aus blauen Saphiren, eine silberne Brosche, ein grün funkelndes Amulett.
    »Das darf ich nicht annehmen, Clarissima«, sagte ich.
    »Du sollst mich Julia nennen.«
    Natürlich nahm ich es am Ende doch an. Denn nicht selten geschah’s, dass Gaetanus mich erwartete, mir schon von weitem entgegenblickte, mir Fragen stellte, sobald ich eingetreten war – und ich wollte doch schön sein für ihn.
    »War sie zufrieden mit dir?«, fragte er eines Tages, und an einem anderen: »Worüber habt ihr miteinander gesprochen?«, und an einem wieder anderen Tag, da wollte er wissen, welchen Menschen ich in Eusebius’ Villa begegnet war.
    Ich wusste Gaetanus’ Aufmerksamkeit nicht zu deuten. Doch ich versuchte es auch gar nicht. Es zählte doch nur eines: dass er mich erwartete, dass er mich ansah, dass er meinen Namen aussprach, dass er mit mir redete.
    Eines Tages berichtete ich, dass ich Julias Bruder getroffen hatte. Manches Gerücht war mir über jenen bereits zu Ohren gekommen. Nun sah ich es selbst – dieses unglückliche Kind. Er humpelte herzerweichend, aber er schien keine Schmerzen zu verspüren und hatte eine Technik entwickelt, möglichst schnell voranzukommen. Als Julia seiner ansichtig wurde, wallten kurz Zärtlichkeit und Milde in ihrem Gesicht auf, befremdlich an ihr, wo jede Regung meist viel schriller, viel schroffer, viel herber ausfiel. Sie presste den Knaben an sich, streichelte über seinen Kopf. Manchmal schien es mir, es könnte niemanden geben, der wacher seinen Mitmenschen gegenüber war als sie, die sich selbst solchen zuwandte, die weit unter ihrem Stand waren. Und dann wiederum war sie sofern und fremd, in Gedanken vertieft und Reden spinnend; nur zufällig schienen diese Reden an mich gerichtet, weil ich nun eben gerade da war, aber ob ich zuhörte und begriff oder nicht, das schien ihr gleich zu sein.
    »Seine Mutter ist bei der Geburt gestorben«, erzählte ich Gaetanus vom kleinen Aurelius. »Der Kaufmann Eusebius ist hernach unverheiratet geblieben. Man sagt, seine Trauer sei unermesslich gewesen, und auch, dass er die Ärzteschar verfluchte, die seine Frau nicht retten konnte.«
    Ich hielt kurz inne, rang mit mir, ob ich fortfahren sollte. Gaetanus nickte bekräftigend. »Dann sagte Julia, von dieser Welt und wie siejetzo noch wäre, unvollendet und in vielem schlecht, stünde nicht zu erwarten, dass Lahme auf ihr gehen und Blinde sie sehen könnten.«
    Beinahe unmerklich verzerrte sich sein bleiches Gesicht, ich konnte gar nicht sagen, ob durch ein Runzeln der Stirne, ein Beben seiner Nasenflügel oder weil er die Augen zusammenkniff. »Man hat sich dem Willen der Götter zu fügen«, sprach er nachdenklich.
    Ich zuckte die Schultern, plötzlich schien er unendlich weit fort zu sein.
    »Das hat Julia auch gesagt«, fügte ich schnell hinzu, um ihn wieder zu erreichen, obwohl ich mir nicht sicher war, ob tatsächlich solche Worte über ihre Lippen geflossen waren.
    Sein Gesicht glättete sich wieder. »Eusebius wird morgen mit seinen Kindern mein Gast sein«, sagte er abschließend und ließ mich stehen.
    Wann mich die bittere Erkenntnis traf? Ob am kommenden Abend oder einem

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