Die Tochter des Königs
aus. Er heißt Petrus. Er heilt im Namen von Jesus aus Nazareth. Ich habe Petrus Menschen heilen sehen, deren Zustand weit schlimmer war als der König Caradocs. Er bewirkt Wunder im Namen dieses Gottes, von dem er behauptet, er sei der Sohn des einzigen wahren Gottes.«
Melinus hob die Augenbrauen. »Ich habe von ihm gehört. Ist er nicht ein Jude?«
Sie nickte. »Aber wenn ich es recht verstehe, ist sein Gott ein anderer als der ihre. Er nennt ihn den Gott der Liebe. Viele Juden aus Griechenland folgen ihm, aber auch viele Leute hier. Und er hat eine ganze Reihe von ihnen bekehrt, vor allem unter den Armen.« Nachdenklich sah sie zu ihm, dann fragte sie: »Sollen wir zusammen hingehen und ihn predigen hören, damit du weißt, was er zu sagen hat?«
Melinus überlegte kurz. »Ich denke, schaden kann es nicht«, antwortete er vorsichtig.
»Meistens predigt er im Haus des einen oder anderen Anhängers. Ich höre mich um, wo wir ihn treffen können, und gebe dir Bescheid.« Sie lächelte. »Er ist ein großer Redner, Melinus. Sehr überzeugend.« Sie machte eine kurze Pause. »Sag Cerys nichts davon. Sie hängt an Brigid, ihrer Göttin des Heilens, und an Lenus und Ocelos, Götter ihres Volkes. Sie will nicht einmal unserer römischen Febris ein Opfer darbringen. Aber keines ihrer Gebete wird erhört.« Sie schüttelte den Kopf. »Du weißt, wie sehr ich deine druidischen Lehren schätze, Melinus, seit mein Gemahl und ich in Britannien waren und ich ihre Philosophen gehört habe. Warum hätte ich sonst darauf bestanden, dass du mit mir zurückkommst?« Sie lächelte ein wenig, peinlich berührt. Im Grunde war dieser Mann nach wie vor ein Sklave, obwohl beide das längst vergessen hatten. »Aber dieser Petrus interessiert mich auch, und ich würde gerne hören, was du von ihm und seinem Gott hältst.«
Langsam schlenderten sie vom Haus fort, während sie ihre Unterhaltung fortsetzten. Eigon trat aus dem Schatten und stellte sich ans Wasserbecken, um in die Spiegelungen zu blicken. Was hatte Melinus dort gesehen? Sie verzog das
Gesicht. Wer immer dieser Lehrer Petrus war, sie hoffte von ganzem Herzen, dass sein Gott ihrem Vater würde helfen können.
Julia hüpfte hinter ihr aus dem Haus, so dass sie vor Schreck zusammenfuhr. »Da bist du ja! Komm schon. Oder hast du es vergessen? Flavius geht wieder mit uns auf den Markt!«
Eigon schaute ihre Freundin besorgt an. »Ist das nicht zu gefährlich, Julia? Vergiss nicht, was beim letzten Mal passiert ist.«
»Natürlich ist es nicht gefährlich. Und dieses Mal sind Flavius und die anderen darauf vorbereitet, wenn jemand uns nahe kommt. Begleite mich doch, ich mag nicht allein gehen.« Julia errötete ein wenig. »Und ich möchte so gern eine zweite Fibel für meine Stola kaufen, passend zu derjenigen, die ich schon habe.«
Eigon warf einen Blick zum Haus. Ihre Mutter würde bei ihrem schlafenden Vater im Haus sitzen. Zu tun gab es nichts bis abends, wenn sie sich zum Essen trafen, bei dem ihr Vater vor Schwäche meist nichts zu sich nahm. Warum sollte sie nicht in die Stadt gehen, die offenbar ihre Heimat bleiben würde?
In weniger als zwei Meilen Entfernung ging die Tür zum Speiseraum in der Kaserne der Prätorianergarde knarzend einen Spalt auf, und ein Mann schaute herein. »Titus?«
Der Offizier, der am Tisch saß, blickte auf. Er machte Aufzeichnungen auf eine Tafel, neben ihm stand ein Becher Wein. Er war groß und auf derbe Art gut aussehend, hatte eine Adlernase und bernsteinfarbene Augen. »Lucius?«
»Mein Posten hat eine Nachricht von der Villa geschickt.« Der andere Mann kam herein und schloss die Tür hinter
sich. Nach einem kurzen Blick auf die anderen Männer im Raum senkte er die Stimme. »Die Mädchen sind wieder in die Stadt gegangen.«
Titusʹ Augen verengten sich. »Ah ja! In Begleitung?«
»Nur zwei Sklaven und Aelius’ Junge, Flavius.«
Titus schüttelte den Kopf in gespieltem Entsetzen. »Was denken sie sich nur? Ihnen könnte ja alles Mögliche zustoßen! Vor allem bei der Unruhe, die momentan überall herrscht. Neuigkeiten vom Kaiser?«
Lucius schüttelte den Kopf. »Ich glaube, er ist noch bewusstlos.«
»Dann ist es wohl Zeit, dass wir dem mutmaßlichen Erben unsere Aufwartung machen.« Mit dem stumpfen Ende seines Stifts löschte Titus die Aufzeichnungen auf der Tafel und stand auf, sein Umhang schwang zurück, und das Schwert, das auf seinen Arm tätowiert war, wurde sichtbar. »Kommst du mit, Lucius?«
Lucius grinste.
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