Die Tochter des Königs
»Also, nichts bewiesen.« William schüttelte den Kopf. »Es sei denn, wir finden Nats Nummer heraus und rufen bei ihr an. Hör mal, Jess, mir brauchst du nichts mehr zu beweisen.« Er warf einen Blick zu Kim. »Nehmen wir an, dass du Recht hast. Er oder jemand in seinem Auftrag verfolgt dich. Also geben wir ihm einfach keine Gelegenheit, in deine Nähe zu kommen. Du gehst nicht mehr allein auf die Straße, und du schließt immer die Fenster. Oder noch besser - warum tauschen du und ich nicht die Zimmer? Meins geht zur Straße raus, das ist zwar nicht so ruhig wie deins, aber da kann dir nichts passieren. Die vordere Fassade kann niemand hinaufsteigen, und wenn er nochmal in dein jetziges Zimmer einsteigt, kriegt er einen grausamen Schock, wenn er ans Bett schleicht, um dir einen Schmatzer auf den Scheitel zu drücken, und mich da liegen sieht.«
Jess grinste. »Das möchte ich sehen.«
»Du darfst natürlich auch gern mit mir im Zimmer bleiben.« Er hob die Augenbrauen. »Das wäre sogar noch besser.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das wäre etwas rückschrittlich, fürchte ich. Tut mir leid.«
»Das Angebot steht.«
Kim räusperte sich. »Soll ich euch zwei für dieses Gespräch allein lassen?«
»Nein!«, sagten beide unisono und lachten.
Kim warf einen Blick zu William. »Ich will’s ja nur wissen«, meinte sie.
Als Steph ein paar Minuten später heimkam, saßen sie schweigend da. Kim spielte mit ihrem Tarotdeck. »Endlich!« Sie schob die Karten über den Tisch zu ihr. »Setz dich und trink einen Schluck. Wir müssen das Orakel befragen.«
»Kim!« Steph schüttelte heftig den Kopf. »Ich habe dir gesagt, das mache ich nicht.«
»Nicht einmal für deine Schwester?«
»Komm schon, Steph«, bat William. »Ich habe dich nie mit einer Karte in der Hand gesehen.«
»Und das wirst du auch jetzt nicht.« Steph nahm das Glas Wein, das Kim ihr reichte, und schob die Karten fort.
»Jess braucht Rat«, sagte er leise. »Wegen Daniel.«
»Schluss mit Daniel!« Steph ließ sich vom Sessel auf den Boden gleiten und saß dann mit verschränkten Beinen an das Polster gelehnt da. Sie trug eine Caprihose und neue Sandalen, die sie gerade in einer Boutique in einer Seitenstraße des Campo de’ Fiori gekauft hatte. »Je mehr wir an ihn denken, desto mehr ruiniert er Jess den Urlaub, ob er nun hier ist oder nicht.« Langsam griff sie nach den Karten. »Einmal abheben, okay?« Fast geistesabwesend mischte sie das Deck und hob ab, dann trank sie einen Schluck Wein. William beugte sich vor, nahm die oberste Karte und warf sie mit dem Gesicht nach oben auf den Tisch.
Der König der Kelche.
Daniel schob ein weiteres Glas Grappa über den Tisch. Zwei leere standen bereits vor dem portiere des Palazzo, dessen
Augen schon verdächtig glänzten. »Also, hast du die Schlüssel? Le chiavi? «
»Sì, sì.« Jacopo nickte und streckte die Hand nach dem Grappa aus.
»Zuerst die Schlüssel.« Daniel zog das Glas zurück, so dass es gerade außer Jacopos Reichweite war.
Mit einem keuchenden Seufzen wühlte Jacopo in seiner Hosentasche und zog einen Bund nagelneuer, metallisch glänzender Schlüssel hervor.
Lächelnd schob Daniel das Glas zu ihm.
»Soldi!« Plötzlich blickten die wässrigen Augen sehr klar, Jacopo schnalzte unter Daniels Nase laut mit den Fingern.
Der holte aus seiner Tasche einen Umschlag, den er über den Tisch schob, wobei er Alkohollachen verwischte. »Schön, mit dir ins Geschäft zu kommen, Jacopo.« Daniel stand auf. »Und vergiss nicht, silenzio. Capisce? «
Jacopo nickte. Er öffnete den Umschlag und blätterte den Stoß Banknoten durch, dann hob er im wortlosen Trinkspruch das Glas, aber Daniel war bereits gegangen. In der Tür blieb er kurz stehen und schaute zur anderen Straßenseite hinüber. Von hier aus konnte er die Ecke des Palazzo sehen, dessen klassische Konturen sich streng von den verspielteren Nachbargebäuden abhoben. Mit einem zufriedenen Nicken ließ er die Schlüssel in seiner Hosentasche klimpern.
»Und? Keine unwillkommenen nächtlichen Besucher?« Mit diesen Worten begrüßte Kim am nächsten Morgen William, als er, angelockt vom Duft des Kaffees, in die Küche kam.
»Gar nichts, nein.« William grinste. »Die arme Jess. Deine Gästezimmer sind ja alle sehr schön, aber in diesem Fall habe ich den besseren Tausch gemacht. Der Blick auf den
Garten ist großartig, und das Zimmer ist viel ruhiger als das zur Straße.«
»Ich mache englischen Toast«, sagte Kim und griff
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