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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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retten.«
    »Du glaubst also, dass er vergangene Nacht reingekommen sein könnte«, sagte Steph.
    »Wenn, dann nicht durch mein Zimmer.« William warf einen Blick zu ihr. »Wäre es denkbar, dass er über die Leiter in dein Zimmer gekommen ist? Das liegt nebenan. Könnte er durch dein Zimmer geschlichen sein, ohne dich zu wecken,
und hat nach Jess gesucht? Oder durch dein Zimmer, Kim?«
    »Woher sollte er wissen, dass sie nicht mehr im selben Zimmer ist?«, fragte Steph.
    »Die Tür war verschlossen. Vielleicht hat er sich dann in der Wohnung umgeguckt, um zu sehen, was er noch anstellen könnte, und hat sie durch Zufall gefunden.«
    Sie schauten sich an. Kim schauderte. »Die Vorstellung gefällt mir ganz und gar nicht.«
    Steph lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schaute William nachdenklich an. »Du willst ihr glauben, oder?«
    Er nickte. »Ich habe immer schon gefunden, dass Daniel verschlagen ist. Und ich kenne … ich kannte Jess sehr gut. Sie ist nicht neurotisch, und sie lügt auch nicht.«
    In der Tiefe der Wohnung fiel eine Tür ins Schloss. Kim verzog das Gesicht. »Das war die Wohnungstür.«
    »Sie ist doch nicht allein rausgegangen!« William sprang auf. Die beiden Frauen hörten seine Schritte im Gang. Gleich darauf kam er wieder zurück. »Doch, sie ist weg.«
    »Und was, wenn er sie unten abfängt?« Steph sah ihn besorgt an. »William, lauf ihr nach!«
    Dieses Mal dauerte es volle zehn Minuten, bis er wieder kam. »Nichts von ihr zu sehen. Sie kann in jede Richtung gegangen sein. Es war sinnlos, zu versuchen, ihr zu folgen.« Bekümmert ließ er sich in den Stuhl fallen. »Ich habe ihr doch gesagt, dass sie nicht allein rausgehen soll. Ich habe ihr doch gesagt, dass ich sie begleite.«
     
    Jess überquerte den Corso Vittorio Emanuele und schlug nach einem kurzen Blick über die Schulter den Weg zum Pantheon ein. Von dort ging sie Richtung Via del Corso und bog in die Via dei Condotti ein, auf die Piazza di Spagna zu. Sie glaubte nicht, dass Daniel ihr folgte. Sie hatte jede
Straße mehrfach überquert und war immer wieder in der Menge untergetaucht. Als sie die Spanische Treppe hinaufstieg, widerstand sie dem Drang, sich umzudrehen und den Platz unter ihr abzusuchen. Wenn Daniel dort war, würde er sie hier oben allzu leicht erkennen. Vor dem Doppelturm der Trinità dei Monti bog sie links ab. Sie wollte noch einmal zur Villa Borghese. In dieser Straße war es ruhiger, und sie war gesäumt von schattenspendenden Bäumen. Bougainvilleen wucherten über die Mauern, Oleander in bunten Farben brachten dunkle Ecken zum Leuchten. In der Luft hingen der Duft der Blüten und der würzige Geruch der großen Schirmpinien. Schließlich ging Jess an der Villa Medici vorbei und überquerte die Brücke in die Gärten der Villa Borghese.
    Sie konnte die Stelle, an der sie Eigon das letzte Mal zu sehen geglaubt hatte, nicht wiederfinden. Sie schlenderte in den Schatten der Bäume und sah sich um, verbot sich aber, sich umzudrehen. Daniel konnte nicht wissen, wo sie war. Dieses Mal konnte er ihr unmöglich gefolgt sein, dafür war sie viel zu vorsichtig gewesen. Endlich einmal war sie allein und konnte sich auf das Wesentliche konzentrieren.
    Es war dumm von ihr gewesen, den anderen ihren Skizzenblock zu zeigen. Wenn sie auch nur einen Moment nachgedacht hätte, wäre ihr gleich klargeworden, dass es Eigon gewesen war, wie damals in Ty Bran. Daniel konnte sich unmöglich Zugang zur Wohnung verschafft haben, und jetzt hatte sie sich vor den anderen lächerlich gemacht.
    Unter einer alten Pinie blieb sie stehen und sah sich wieder um. Es war noch früh am Tag, sie hatte den Park fast für sich. Zu dieser Zeit waren noch keine Gruppen ausländischer Schüler unterwegs, und für Führungen war es auch noch zu früh. Nur ein oder zwei Reiter, die ihre Pferde die schattigen Wege entlangführten.

    Jess starrte in die Ferne zwischen die Bäume und versuchte, den Ort zu finden, an dem sie das merkwürdige Gefühl gehabt hatte, in der Nähe von Eigons Zuhause zu sein. Diesige Hitze hing über dem Park, allzu weit konnte ihr Blick nicht schweifen. Die Luft war staubig und erfüllt von einem seltsamen Gefühl der Erwartung. Langsam drehte Jess sich im Kreis, versuchte die kleine Verschiebung in der Wahrnehmung der Realität zu finden, wo sie durch den unsichtbaren Vorhang schlüpfen konnte, der die Gegenwart von der Vergangenheit trennte. Zaghaft streckte sie eine Hand aus. »Eigon?«, flüsterte sie. »Bist du

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