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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Rom. Unsere Mutter und unser Vater sind vor ein paar Jahren am Fieber gestorben, das in den Hügeln rund um die Sommervilla ausbrach, in der wir damals gerade waren.« Antonia schaute traurig auf ihre gefalteten Hände. »Danach sind Julius und ich zu unserem Großvater gezogen; er ist Senator.«
    »Und was sind Christen?«, fragte Eigon. »Flavius weiß es offenbar, aber ich habe noch nie von ihnen gehört. Entschuldige.«
    »Wir sind Anhänger Christi. Gottes eigener Sohn Jesus Christus ist zum Menschen geworden. Er lebte unter den Juden in Judäa, er lehrte und heilte und wurde vom römischen Statthalter Pontius Pilatus zum Tod am Kreuz verurteilt. Er hat nicht so viel Glück gehabt wie dein Vater. Er
wurde getötet. Aber dann hat Gott ihn auferstehen lassen, und jetzt lebt er wieder, im Himmel.«
    Eigon zog die Stirn kraus. »Ist er einer von euren römischen Göttern?«
    Antonia schüttelte den Kopf. »Es gibt nur einen Gott. Genau darum geht es ja. Die römischen Götter sind keine richtigen Götter. Und der Kaiser auch nicht.«
    »Aber das darf man doch nicht laut sagen!« Eigon hob die Augenbrauen. »Und unsere Götter in Britannien?«
    Antonia zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich gilt für sie dasselbe. Uns wird gelehrt«, sie lächelte, um ihrer Bemerkung die Schärfe zu nehmen, »dass die alten Götter vielleicht Engel waren, Diener oder Boten Gottes.«
    Eigon seufzte. »Damit würde Melinus nicht einverstanden sein.« Oder vielleicht doch? Sie wusste es nicht. Er hatte nie mit ihr über die Christen gesprochen.
    »Wer ist Melinus?«
    »Mein Lehrer. Er ist ein Druide.« Als Eigon Antonias verständnislosen Gesichtsausdruck bemerkte, lachte sie. »Was ihr einen Priester und Philosophen nennen würdet. Ein Gelehrter.«
    »Und er ist mit deinem Vater als Gefangener nach Rom gekommen?«
    Eigon schüttelte den Kopf. »Das ist eine andere lange Geschichte.« Wie konnte sie ihrer neuen Freundin erklären, dass Melinus ein Sklave war? Beim Essen war ihr klargeworden, dass ihr Gastgeber offenbar seine Sklaven alle in die Freiheit entlassen hatte. Sie arbeiteten noch für ihn, aber aus freien Stücken, und sie wurden für ihre Arbeit bezahlt.
    Hinter ihnen ging die Tür auf, und Julia erschien. Sie war in einen Schal gehüllt. »Ich dachte mir doch, dass ich euch reden hörte. Seid ihr nicht müde?« Wie zur Bekräftigung ihrer Aussage gähnte sie herzhaft.

    »Du hast Recht.« Antonia stand auf. »Entschuldige. Es war unhöflich von mir, dich nicht schlafen zu lassen. Wir reden morgen früh weiter. Gute Nacht.«
    Sie sahen ihr nach, wie sie den Säulengang entlang verschwand. »Habe ich euch unterbrochen?« Julia ließ sich neben Eigon aufs Bett fallen.
    Eigon schüttelte den Kopf. »Wir haben uns über die Götter unterhalten.«
    Julia schaute sie fassungslos an. »Warum habt ihr euch denn nicht über ihren hübschen Bruder unterhalten? Ist der schon vergeben?«
    Eigon lachte. »Julia!«
    »Das müssen wir herausfinden. Gleich morgen früh. Dann bitte ich meine Tante, uns offiziell mit der Familie bekannt zu machen. Ich finde, er würde einen wunderbaren Ehemann abgeben, meinst du nicht auch?«
    »Für mich?« Eigon merkte, dass sie rot wurde.
    »Nein, du Dummerchen. Für mich!«
     
    Auf der Dachterrasse war es dunkel geworden. Stöhnend streckte Jess, noch immer auf dem Stuhl sitzend, ihre steifen Gliedmaßen.
    »Ach, endlich bist du wach!« Carmella trat in die Tür. »Ich habe Kim angerufen, damit sie sich keine Sorgen macht, und ihr gesagt, dass du zum Abendessen hierbleibst.« Sie stellte vor Jess ein Glas auf den Tisch, in dem Eiswürfel klapperten. »Campari. Also, für Eigon geht die Geschichte noch weiter«, sagte sie mit einem Lächeln, »aber jetzt müssen wir uns um dich kümmern. Damit Daniel nicht in deinen Kopf kommt.«
    Jess sah, dass ein Kartensystem auf dem Tisch ausgelegt war. »Hast du nochmal die Karten gelesen?«
    Carmella nickte. »Ich habe ihn auch in der sfera di cristallo gesehen. Er ist in der Nähe.« Wie auch die andere Zuhörerin,
die sie spürte, wann immer sie die Karten für Jess legte. Auch diese Frau konnte die inneren Wege deuten. Aber wer sie war, und wie sie in diese Geschichte passte - das wusste Carmella nicht.
    »Das heißt, Daniel ist in Rom.«
    Carmella nickte wieder. »Natürlich. Was dachtest du denn, wo er ist?«
    »Er hat uns gesagt, dass er nach England zurückfliegt, aber ich habe ihm nicht geglaubt.«
    »Du hast Recht, er ist hier. Ganz in der Nähe.«

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