Die Tochter des Königs
»Vielleicht solltest du einfach nach England zurückfahren. Und er bleibt hier und spielt seine dummen Spielchen weiter.«
Sie starrte ihn fassungslos an. »Und was ist mit Eigon?«
Er seufzte. »Was mit Eigon ist? Jess, du hast sie zuerst in Wales gesehen. Kannst du mit deinen Nachforschungen, oder wie immer du es nennen magst, nicht genauso gut dort weitermachen?« Leicht ungehalten schüttelte er den Kopf. »Ist sie wirklich so wichtig? Im Vergleich zu deiner Sicherheit?«
Sie nickte heftig. »Doch, das ist sie. Ich kann’s nicht erklären, aber so ist es nun mal. Ich will nicht nach Hause, William. Nicht jetzt.«
Er seufzte wieder. »Also, das Wichtigste ist, dass du jetzt erst einmal in Sicherheit bist. Geh schlafen, Jess, und dann reden wir morgen früh weiter, ja?«
»Er hat gesagt, keiner von euch würde mir glauben, dass ich ihn gesehen habe.«
»Ich glaube dir.«
Sie nickte bekümmert, dann ging sie zur Tür, schaute aber noch einmal über die Schulter zurück. »Danke, dass du hier bist, William.«
»Gern geschehen!«
»Bis morgen.«
Er nickte.
Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, ging William zum Fenster und schaute nachdenklich in die Dunkelheit hinaus.
Die Gestalt, die unten im Garten stand, schaute zu ebendem Fenster hinauf, obwohl William sie in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Vor Zorn verengten sich Daniels Augen, als er seine Silhouette im Fenster sah. Jetzt schlief der Mistkerl also schon wieder bei ihr im Bett. Leise fluchend ging er auf Zehenspitzen zum Tor, schloss es hinter sich ab und lief die Gasse entlang zur Straße. Dort hielt er inne, ein böses Lächeln überzog sein Gesicht. Dann machte er wieder kehrt. So leise wie möglich schlich er über den Rasen und die Kieswege zu dem Beet unter Jess’ Fenster und bückte sich nach der Leiter.
Völlig überraschend erschien Aelius in heller Aufregung vor Cerys und ihrem Gemahl, als die beiden am späten Morgen mit Pomponia Graecina der warmen Oktobersonne am Brunnen saßen. Einen Moment blieb der Haushofmeister respektvoll in der Tür stehen und überlegte sich, wie er auf sich aufmerksam machen sollte, dann trat er unaufgefordert vor Caratacus, zu aufgelöst, um sich noch länger zurückhalten zu können.
»Herr, die beiden jungen Herrinnen sind gestern weggegangen.« Bekümmert rang er die Hände. »Und sie sind abends nicht zurückgekommen.«
Caratacus sah bestürzt zu seinem Haushofmeister auf, das Blut wich ihm aus den Wangen. »Was meinst du damit, sie sind weggegangen?«
»Sie wollten zum Markt, zu den Seidenverkäufern, und dann weiter zum Goldschmied, der hinter der Via Sacra wohnt.« Aelius warf einen Blick zu Pomponia. »Mein Sohn Flavius hat sie begleitet, zusammen mit zwei Sklaven. Eigentlich kann ihnen nichts zugestoßen sein.« Mittlerweile hatten alle vom Aufruhr der vergangenen Nacht gehört.
Mit einem kleinen Aufschrei sprang Cerys auf. »Eigon hätte die Villa nicht verlassen dürfen. Sie weiß genau, dass sie nicht nach draußen darf!«
»Seid zuversichtlich, Herrin.« Melinus trat vor. »Ich bin mir sicher, dass ihnen nichts passiert ist.«
Pomponia Graecina, die vor einer Weile gekommen war, um Caratacus eine neue Schriftrolle zu lesen zu bringen, verzog ärgerlich das Gesicht. »Julia ist wirklich saumselig! Sie weiß genau, dass Eigon nicht ohne richtigen Begleitschutz in die Stadt darf! Aber sie ist einfallsreich.« Das musste sie auch sein, um Cerys’ Verbot zu umgehen. »Vielleicht haben sie beschlossen, in der Stadt zu übernachten. Flavius ist ein verantwortungsbewusster junger Mann. Als er den Ärger auf der Straße bemerkte, hat er die beiden bestimmt in Sicherheit gebracht.«
»Vielleicht haben sie bei Euch übernachtet«, sagte Caratacus nachdenklich und schaute sie hoffnungsvoll an. »Euer Haus liegt viel näher am Stadtzentrum.«
Pomponia schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Wir kommen gerade von dort. Sie waren nicht da.«
»Dann müssen wir wohl einen Suchtrupp ausschicken«, entschied Caratacus. Sein Gesicht wurde mit jeder Minute fahler, seine Stimme schwächer; die Aufregung raubte ihm die letzte Kraft. »Kümmere dich darum, Aelius!«
»Sofort, Herr!« Aelius zog sich zurück.
»Cerys, hör auf zu weinen!«, befahl Caratacus und schaute zornig zu seiner Gemahlin. »Ich habe nie verstanden, weshalb du Eigon verboten hast, das Haus zu verlassen. Das ist jetzt das Ergebnis. Das ist allein deine Schuld. Sie glaubte, heimlich in die Stadt gehen zu müssen,
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