Die Tochter des Königs
haben«, flüsterte Stephanus. »Das Risiko hat immer bestanden.«
Er sah, wie einen Moment Kummer über ihr Gesicht huschte, denn straffte sie die Schultern und atmete tief durch. »Wir müssen nach ihm suchen. Wir können ihn nicht dortlassen.«
Stephanus schüttelte den Kopf. »Eigon, überlass das den anderen. Es ist zu gefährlich für dich. Das weißt du auch. Du bist unser einziges Unterpfand.«
Sie wusste, dass er Recht hatte.
»Aber sie haben uns hereingelegt. Ein zweites Mal werden sie nicht in einen Tausch einwilligen.«
»Marcellus wird etwas einfallen. Er ist ein guter Stratege. Überlass es nur ihm. Bis es hell wird, brauchen wir ein sicheres Versteck. Dann müssen wir uns wieder mit den anderen zusammentun. Jetzt müssen wir uns erst zu einem Haus durchschlagen, das einigen Christen gehört. Dort werden sich auch die anderen von uns wieder einfinden.«
»Ist es weit?«
»Ja, aber wir gehen langsam, und nach einer Weile können wir eine kleine Rast einlegen. Hier ist das Gelände einfach zu offen, hier sind wir nicht sicher.«
»Und was ist mit Julius und seinem Großvater?«
Stephanus schwieg einen Moment, bevor er antwortete. »Wir beten für sie. Du musst fest daran glauben, Eigon. Gott ist auf unserer Seite. Er wird uns beschützen.«
»Gott will Märtyrer«, sagte sie bitter. »Ich habe doch gehört, wie Marcellus das sagte. Er will, dass Leute ihren Glauben unter Beweis stellen, indem sie qualvoll für ihn sterben. Ich dachte, er sollte ein Gott der Liebe sein.« Fröstelnd zog sie ihren Umhang enger um sich.
Stephanus erwiderte nichts darauf und setzte sich seufzend wieder in Bewegung. Er ging so schnell, dass Eigon laufen musste, um Schritt zu halten. Sein Schweigen hatte sie daran erinnert, dass seine Frau bereits für ihren Glauben gestorben war. Peinlich berührt wegen ihrer Gedankenlosigkeit fasste sie ihn am Arm. »Und wo sind deine Kinder, Stephanus?«
»Jemand kümmert sich um sie.«
»Du hast sie allein gelassen, um mir zu helfen?« Sie zwang ihn stehen zu bleiben und sah ihm in die Augen.
»Das war meine Pflicht.«
»Nein, das war nicht deine Pflicht. Das war eine Tat der Liebe.« Sie machte eine hilflose Geste. »Es tut mir leid. Ich bin noch keine besonders gute Christin.«
Er lächelte verständnisvoll. »Ist das irgendeiner von uns? Wir bemühen uns alle darum, das zu tun, was Jesus sich von uns gewünscht hätte, aber er hat Verständnis für uns. Er wusste, dass wir nicht so stark sind wie er. Schau dir Petrus an. Sogar er leugnete Christus, als er Angst hatte.«
Eigon ließ seinen Arm los und schritt entschlossen wieder aus. »Du hast Recht.« Schweigend gingen sie ein Stück weiter. »Melinus war tapfer«, sagte sie schließlich. »Er war ein Druide. Sie wurden in Rom auch verfolgt. Ich glaube nicht, dass ich so stark sein könnte.«
»O doch. Du bist einer der tapfersten Menschen, den ich kenne.« Stephanus grinste zu ihr hinüber. »Julius hat Glück.«
Eigon errötete. »Ich habe nie zu hoffen gewagt, wir könnten ein Paar werden. Das hätten meine Eltern nie erlaubt.«
»Und du hättest nicht gegen ihren Willen gehandelt?« Fragend hob er die Augenbrauen.
Sie lächelte. »Nicht gegen den meines Vaters, nein.«
»Aber jetzt ist er tot.«
Sie nickte traurig. »Jetzt ist er tot.«
»Also, was hindert dich jetzt?«
Sie lachte auf. »Abgesehen von einem Kerker, überhaupt nichts.« Beim Gedanken an ihre Mutter, die jetzt mit ihren Erinnerungen allein in der Villa war, wurde sie traurig. Hatte sie auch nur einmal an die Tochter gedacht, die sie verstoßen hatte? Das würde sie vermutlich nie erfahren.
Als der Tag dämmerte, hatten sie ihr Ziel endlich erreicht. Erschöpft und mit staubigen Kleidern betraten sie den Garten der Villa, wo Stephanus an eine Seitentür klopfte. Sie wurde sofort geöffnet, die beiden traten ein und wurden von einer großen, weißhaarigen Frau empfangen, die selbst zu dieser frühen Stunde elegant gekleidet war. Ihr Gesicht war blass, ihre Haut sehr glatt, sie war durch und durch eine Patrizierin, obwohl das leuchtende Kornblumenblau ihrer Augen zusammen mit ihrer hellen Haut verrieten, dass ihre Herkunft weit im Nordwesten des römischen Reiches lag. Gleich darauf wurde Eigon von einer hübschen, gut gekleideten Sklavin fortgeführt, die ihr bereitwillig half, zu baden und den Staub aus ihren Haaren zu bürsten, ihr neue Kleider gab und sie innerhalb kürzester Zeit zu Stephanus und ihrer Gastgeberin zurückbrachte, wo ihr zu
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