Die Tochter des Königs
geöffnet hatte. Nach einem schwarzen Kaffee fühlte er sich fast wieder wie ein Mensch. Er lehnte sich im Stuhl zurück und streckte die Beine vor sich aus. Und was jetzt? Er musste Jess finden. Er stellte sie sich in der hübschen kleinen Pension mit den wunderbaren Antiquitäten und den Zimmern unterm Dach vor und machte ein finsteres Gesicht. Was immer es war, das sie heraufbeschworen hatte, um ihn zu vertreiben - dieses Mal würde er gewappnet sein. Es war nicht real. Titus würde damit fertigwerden. Seufzend bestellte er noch einen Kaffee. Es war dumm von ihm gewesen, sie zurückzulassen, und jetzt musste er sich beeilen, bevor sie Gelegenheit fand, mit der Polizei zu sprechen. Andererseits, glaubwürdig war sie sowieso nicht mehr. Sie würden ihr ihre Geschichte
nicht abnehmen. Aber vielleicht würden sie doch ein paar Zweifel bekommen. So oder so, was auch immer passierte, es würde ihm schaden. Er lächelte entschlossen, stand auf und ging zur Tür. Es war Zeit, dass Jess ihrer Paranoia nachgab und sich selbst übertraf. Er trat in den Sonnenschein hinaus und prustete vor Vergnügen. Wo war Titus, wenn er ihn brauchte? Jetzt mussten sie festlegen, wie Jess genau vorgehen sollte. Das konnten er und Titus auf dem Weg zur Pension besprechen.
Titus wartete auf Lucius. Der Mann verspätete sich. Vor Ungeduld stampfte er auf, dann ging er rastlos im Zimmer hin und her. Er musste die Nachricht doch erhalten haben? Er brauchte ihn jetzt, heute Morgen, nicht nächsten Monat. Er drehte sich um und schritt wieder durch den Raum. Ihm war bewusst, dass die anderen Offiziere ihn leicht misstrauisch beäugten. Sie distanzierten sich immer mehr von ihm, das wusste er. Und er kannte auch den Grund. Mittlerweile wussten nahezu alle von dem Blutbad im Bauernhaus. Nicht dass sich auch nur einer von ihnen um eine Horde abtrünniger Christen scheren würde, aber die Art, wie sie zu Tode gekommen waren, hatte sie offenbar schockiert. Es war eine persönliche Sache gewesen, bei der nicht nur Sklaven getötet worden waren, die sich dieser neuen Religion mit großem Eifer angeschlossen hatten, sondern auch mehrere römische Bürger, unter ihnen auch Frauen und Kinder. Das war der Unterschied. Titus fragte sich, ob wohl ein Prätor ihn befragen würde. Wenn, dann würde er sich irgendwie herausreden müssen. Bis es dazu kam, musste er eine Person noch zu fassen kriegen. Die einzige Person, um die es ihm im Grunde ging. Und er wusste, wo sie war. Er wartete nur darauf, dass Lucius bei dem Haus vorbeischaute, mit Drusilla sprach, die sich wunderbarerweise als entfernte
Verwandte herausgestellt hatte, und er würde Bescheid wissen. Aber Lucius war immer noch nicht zurückgekommen.
»Herr.« Eine schüchterne Stimme neben ihm veranlasste ihn, innezuhalten. Er drehte sich um. »Herr, eine Nachricht.« Es war ein Junge, einer der Stallburschen. Er reichte Titus ein Täfelchen, auf dem eine kurze Notiz stand.
Tut mir leid, schaffe es nicht mehr. Habe dienstfrei bis zu den Kalenden nächsten Monat. L.
Titus fluchte lauthals. Er trat nach dem Jungen und schleuderte das Täfelchen in die Ecke. »Der Schuft!« Lucius hatte ihn im Stich gelassen. Er wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Dienstfrei, von wegen! Im Dienstplan hatte davon nichts gestanden. Um das hinzudrehen, musste er wohl zum Legaten gegangen sein. Na, dafür würde er büßen. Er, Titus, würde dafür sorgen, dass jede Person in dem Haus verhaftet wurde, einschließlich Drusilla! Er schaute sich nach dem Jungen um. Der war geflohen. Die anderen Männer waren alle aufgestanden und verließen nacheinander den Raum. Wieder einmal blieb er allein zurück.
Die Razzia wurde von einer Abordnung Prätorianer ausgeführt. Titus begleitete sie nicht. Wütend kehrten sie ins Lager zurück. Das Haus war leer gewesen. Sie hatten niemanden angetroffen, nicht einmal einen Sklaven. Sie erstatteten im Hauptquartier Bericht, sie hätten falsche Auskünfte erhalten, und zogen dann in ein anderes Stadtviertel weiter. Die Spur hatte sich verloren. Titus ging die Straße entlang und schaute nachdenklich zu den verschlossenen Läden hinauf. Er musste sie bald finden, viel Zeit blieb ihm
nicht. Wenn sie ihre Geschichte irgendjemandem erzählte, würde sie sich herumsprechen. Wer immer und was immer sie jetzt war, sie war die Tochter eines Königs gewesen. Man würde auf ihn aufmerksam werden. Er schickte einen Spion zur Villa hinaus, um zu sehen, ob sie dort war. Auch diese war
Weitere Kostenlose Bücher