Die Tochter des Königs
Mare Tyrrhenum auf Karthago oder Hippo Regius zusteuerten. Angeblich sollte die Reise zwei Tage dauern, allerhöchstens zweieinhalb. Commios versuchte nachzurechnen, wie oft der Himmel dunkel geworden war, und gab auf. Solange sie nicht wieder in Ostia landeten … Er hatte gesehen, welche Last von Eigon abgefallen war, als sie den Hafen hinter sich gelassen hatten. Damit hatte sich auch ihre Angst vor einer Verfolgung gelegt. Commios war der Einzige, dem Petrus von Titus’ wahnwitzigem Rachefeldzug erzählt hatte. Er hatte geschworen, das Geheimnis für sich zu behalten, aber das bedeutete auch, dass er die Augen offen halten musste, bis sie wirklich in Sicherheit waren. Eigons Aufregung war ansteckend, und wider Willen musste er mitlachen, als wieder eine Woge auf Deck krachte und sie abermals durchnässt wurden.
Es ging bereits auf Abend zu, als der Sturm sich etwas legte und das Schiff an Fahrt gewann. Der Himmel klarte auf, und dann sahen sie zu ihrer Rechten schließlich die Küste, weit näher, als sie erwartet hatten. Langsam wagten sich auch andere Passagiere an Deck, die Nachricht machte die Runde, dass sie sich tatsächlich ihrem Ziel näherten und dass die erstaunlich präzise Navigation des Kapitäns einzig den Opfergaben zu verdanken war, die er vor der Abfahrt Neptun dargebracht hatte.
Im Hafen war es laut und dreckig, überall wimmelte es vor Menschen. Sobald sie auf unsicheren Beinen an Land
wankten, übernahm Commios die Führung. Ihnen war nur allzu bewusst, wie erbärmlich und abgerissen sie in ihrer nassen Kleidung aussahen. Sie suchten ihre Habseligkeiten zusammen, letztlich nicht mehr, als sie zu dritt tragen konnten, und machten sich auf die Suche nach dem Haus von Tullius Gaius, einem Freigelassenen, dessen Vater für Drusillas Großvater gearbeitet hatte. Mittlerweile war er in Massilia ein erfolgreicher Kaufmann geworden, der für einen ständig wachsenden Markt Güter ein- und ausführte. Ihnen wurde der Weg zu einem prachtvollen Haus mitten im Handelsviertel gewiesen, und dort betraten sie ein luxuriöses, behagliches Zuhause.
Gaius war nicht anwesend, doch seine Frau Aemilia begrüßte sie herzlich und beauftragte sofort die Sklaven, Zimmer für die Gäste herzurichten. Auf den Vorschlag ihrer Gastgeberin hin suchten die drei sehr bald das nahe gelegene öffentliche Bad auf, und als sie sauber, ausgeruht und mit frischen Kleidern am Leib zurückkehrten, stand das Essen bereit. Ihr Gastgeber war aus seinem Kontor herbeigerufen worden, und er und mehrere seiner Freunde hatten es sich bereits auf Liegen rund um den Tisch bequem gemacht und warteten gespannt auf die Neuigkeiten aus Rom. Bald war klar, dass sie weder von Drusillas Übertritt zum Christentum wussten noch dass auch Eigon und Commios Mitglieder dieser Sekte waren. Auf einen warnenden Blick Commios’ hin schwieg Eigon zu diesem Thema, vielmehr sprachen sie alle davon, dass sie sobald wie möglich weiter nach Norden aufbrechen müssten.
Später saßen Eigon und Drusilla in ihrem Zimmer auf dem Bett und unterhielten sich leise. »Hier möchte ich immer bleiben!«, sagte Eigon lachend. »Hier ist es wunderbar!« Ihren Kummer hatte sie zwischenzeitlich tief in ihrem Inneren vergraben. Es war zu viel, zu umfassend, als dass sie
es ertragen konnte. Eines Tages würde sie sich dem Schmerz wieder stellen, aber nicht jetzt, wo er noch so frisch war.
Drusilla nickte. »Und es wogt nicht auf und ab und wird nicht ständig von Wasser überflutet«, meinte sie. »Commios hat sich umgehört, ob wir nicht eine Fahrt auf einem Kahn den Fluss Rhodanus hinauf buchen können. Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.«
Eigon lächelte. »Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Kähne wogen nicht auf und ab. Du hast sie doch auf dem Tiber gesehen. Die fahren völlig ruhig dahin.«
Drusilla nickte wieder, dann warf sie einen Blick zur Tür. »Ich finde, wir sollten niemandem sagen, wohin wir als Nächstes wollen«, flüsterte sie. »Ich bin zwar überzeugt, dass wir diesen Leuten vertrauen können, aber vielleicht wäre es trotzdem besser, die Route für uns zu behalten.«
Eigons strahlendes Gesicht fiel in sich zusammen, sie schauderte. »Du hast Recht«, sagte sie widerstrebend. »Wir sollten bald weiterreisen, das stimmt. Sobald unsere Kleider getrocknet sind.« Unvermittelt sah sie sich im Zimmer um und schauderte wieder. »Drusilla«, flüsterte sie. »Spürst du das auch? Als würde uns jemand beobachten?«
Drusilla schüttelte
Weitere Kostenlose Bücher