Die Tochter des Königs
sprechen zu müssen.
Catherine Barker öffnete die Tür des Hauses, das dem Schulgebäude direkt gegenüberlag. Sie empfing ihn mit einem strahlenden Lächeln. Die Ehefrau des Rektors war eine ungemein attraktive Frau mit leuchtend roten Haaren und smaragdgrünen Augen, zehn Jahre jünger als ihr Mann. Sie sprach Englisch mit dem Anflug eines irischen Einschlags. »William! Wie schön, dich zu sehen. Komm rein. Brian ist oben. Ich hole ihn.«
Brian, groß, hager und drahtig, mit einer weißen Mähne und einer gesunden Gesichtsfarbe, ging William in sein Arbeitszimmer im ersten Stock voraus und schloss die Tür hinter ihnen. Catherine blieb am Fuß der Treppe stehen und sah den beiden Männern besorgt nach.
»Es tut mir leid, Brian. Ich hoffe, sie ist jetzt nicht gekränkt. Aber ich finde, das sollte momentan unter uns bleiben.« Da Brian ihn nicht aufforderte, sich zu setzen, hob William selbst einen Stapel Bücher von einem Stuhl und nahm Platz, ehe er zu erzählen begann.
»Jess wollte nicht, das irgendjemand davon erfährt«, sagte er, als er das Ende der Geschichte erreichte. »Sie hat
sich mit Händen und Füßen gewehrt, jemandem etwas davon zu sagen. Es gibt keine Beweise. Es steht ihr Wort gegen Daniels, und in den vergangenen Wochen hat Daniel alles darangesetzt, ihre Glaubwürdigkeit zu zerstören und sie unter Druck zu setzen.«
»Und du sagst, dass er ihr nach Rom gefolgt ist?«, meinte Brian nachdenklich. »Weiß Nat davon? Ich habe versucht, ihn zu erreichen, und sie wusste nicht so recht, wo er ist.«
»Das glaube ich sofort«, sagte William trocken. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er ihr irgendetwas davon erzählt hat.« Er machte eine kurze Pause. »Warum willst du ihn denn erreichen?«
»Wegen einer seiner Schüler. Ashley. Der hat Ärger mit der Polizei. Eine dumme Sache. Ein Missverständnis, wenn du mich fragst, aber der Junge ist schwarz, und, na ja …« Er zuckte mit den Schultern. »Du weißt ja, wie’s geht. Das könnte seine Zukunft zerstören, und dabei sieht alles so gut für ihn aus.«
»Er war Jess’ Schützling. Du hättest sie anrufen sollen.«
»Ich habe nicht gewusst, wie ich sie erreichen kann. Ich habe bei ihr zu Hause angerufen, und die Frau, mit der ich sprach, sagte, sie wohne bloß zur Untermiete dort und Jess sei für ein halbes Jahr verreist. Vergiss nicht, sie hat an der Schule gekündigt.«
William verzog das Gesicht. »Sie war bei ihrer Schwester in Wales. Daniel ist ihr dorthin gefolgt.« Er machte eine kurze Pause. »Vielleicht kann ja ich etwas für Ash tun. Ich habe ihn auch unterrichtet.«
Brian nickte. »Ich gebe dir die Nummer, bei der du anrufen musst.« Er schlenderte zum Fenster und schaute auf die Straße hinunter. Die Hände hatte er in der Hosentasche vergraben. »Das ist vielleicht eine verdammt dumme Geschichte. Ich habe mich für Daniel eingesetzt und ihn
zur Beförderung vorgeschlagen, als Rektor einer eigenen Schule. Er hat - er hatte - eine große Zukunft.« Er zögerte kurz. »Und du sagst, die Polizei interessiert sich nicht dafür?«
William schüttelte den Kopf.
»Ehrlich gesagt, überrascht mich das nicht. Bei jemandem wie Ash, da sind sie schnell bei der Hand, oder bei jemandem, der es auf kleine Kinder abgesehen hat, aber ein potenzieller Mörder …« Er drehte sich um und stützte sich seufzend aufs Fenstersims. »Können wir die Geschichte Catherine erzählen? Sie schweigt wie ein Grab, und sie verfügt über eine gute Menschenkenntnis. Vielleicht fällt ihr ein, was wir tun können.«
William nickte. »Natürlich.«
»Liebst du Jess noch, William?«
William lachte wehmütig. »Wenn, dann ist es zu spät. Ich habe sie verloren.«
Eine Weile stand Daniel auf dem Bürgersteig und schaute nachdenklich zu Williams Haustür. Er grinste verschlagen. Reiner Zufall, dass er den Schlüssel noch hatte, den William ihm vor zwei Jahren gegeben hatte, als sie gemeinsam an einem Schulprojekt arbeiteten. William hatte vergessen, ihn zurückzufordern, und Daniel hatte ihn einfach behalten. Die ganze Zeit hatte er im Handschuhfach gelegen, und als Daniel am Nachmittag zu Williams Wohnung gefahren war und zwischen den ganzen Bonbons, dem Abfall und den alten Kugelschreibern und Parkscheinen danach gesucht hatte, hatte er ihn tatsächlich gefunden. Er steckte ihn ins Schloss und öffnete die Tür. »William? Bist du da?«
Die Wohnung war leer, Williams Tasche lag direkt neben der Wohnungstür. Offenbar hatte er nicht einmal
Weitere Kostenlose Bücher