Die Tochter des Königs
ausgepackt, bevor er wieder weggegangen war. Nachdenklich sah
Daniel sich um. Tja, wohin war William wohl in solcher Eile aufgebrochen? Er ging zum Telefon und drückte auf Wiederwahl.
Die Polizei.
Fluchend ließ er sich auf einen Stuhl fallen, stützte das Kinn auf die Hände und dachte angestrengt nach.
Jess saß am Straßenrand in ihrem Wagen, nur wenige Hundert Meter von ihrer Wohnung entfernt, und hörte Caractacus . Die Musik trug sie mit sich fort, beschrieb die geliebten Hügel von Malvern, das Getümmel der Schlacht, das Elend der Niederlage. Eigon klang völlig falsch. Alle klangen völlig falsch. Irgendwie stimmte die ganze Oper nicht, aber die Musik war ungemein kraftvoll. Nationalistisch, mitreißend, lyrisch. Schließlich war sie zu Ende. Jess schloss die Augen. Sie war völlig kaputt, aber sie wusste nicht, wo sie schlafen konnte. Der blanke Hohn. Ihre Wohnung lag um die Ecke, Jess war aus Gewohnheit hierhergefahren, zu müde, um auf die lange Fahrt nach Wales aufzubrechen, und hatte die Untermieterin schlicht vergessen. Sie hätte Williams Einladung annehmen sollen, erst einmal zu ihm zu fahren. Sie versuchte noch einmal, Steph zu erreichen. Ihre Schwester hob immer noch nicht ab, und auch der Anrufbeantworter schaltete sich nicht ein.
Stöhnend lehnte sie sich zurück und schloss wieder die Augen. Wenigstens hatte sie für dieses Viertel einen Parkausweis. Sie konnte das Auto stehen lassen und sich etwas zu essen holen. Sie ging zu ihrem Lieblingsinder und bestellte sich Reis, ein Hühner-Madras und einen Papadam zum Mitnehmen. Der Junge hinter der Theke erkannte sie und begrüßte sie wie eine alte Bekannte. Das hellte ihre Laune ein wenig auf. Sie kaufte sich noch eine Dose Bier und setzte sich wieder in ihren Wagen. Als es dunkel wurde,
ging das Licht in ihrer Wohnung an. Sie stopfte das Verpackungsmaterial in die Plastiktüte, stieg aus und warf alles in einen überquellenden Abfalleimer, der an der Straßenecke stand. Dann setzte sie sich wieder ins Auto, trank ihr Bier und schaute zu ihrem beleuchteten Wohnzimmerfenster hinauf. Eine halbe Stunde später wurde das Licht ausgeschaltet.
Ihre Suche nach einer anderen CD beförderte eine Zusammenstellung meditativer Musik zutage, die William ihr vor mehreren Jahren nach einer besonders aufreibenden Schulinspektion, die sie beide den letzten Nerv kostete, geschenkt hatte. Sie lächelte traurig. Der gute alte William. Warum wanderten ihre Gedanken immer wieder zu ihm? Hatte sie vielleicht einen großen Fehler gemacht, ihn einfach so zurückzulassen? Der sehnsüchtige Ausdruck in seinen Augen beim Abschied ging ihr nicht aus dem Kopf. Plötzlich fasste sie einen Entschluss. Sie würde zu ihm fahren und ihn bitten, sie für die Nacht bei sich aufzunehmen. Und sie würde die Gelegenheit nutzen, ihm richtig zu danken für alles, was er für sie getan hatte, und ihm sagen, dass sie wusste, wie viel er für sie aufs Spiel gesetzt hatte. Sie würde dafür sorgen, dass sie sich in aller Freundschaft trennten. Sie legte die CD ein, startete den Wagen und fuhr zu den zarten Klängen Debussys aus der Parklücke hinaus.
William schloss die Wohnungstür auf und trat in den Flur. Er hatte den ganzen Abend bei den Barkers verbracht. Sie hatten ihn eingeladen, sich in ihrer gemütlichen Küche mit ihnen an den Esstisch zu setzen. Ihre beiden halbwüchsigen Töchter waren herein- und herausgesprungen und hatten sie ein wenig von ihrer düsteren Stimmung abgelenkt. Als die Mädchen schließlich ausgegangen waren und sie warteten,
dass der Kaffee durchlief, wandte Catherine sich wieder an ihren Gast.
»Du solltest wirklich nach ihr schauen, William. Ich wette, sie hat es sich mittlerweile anders überlegt. Wahrscheinlich tut es ihr schon bitter leid, dass sie dich in die Wüste geschickt hat.«
William grinste. »Meinst du wirklich?«
»Mir würde es auf jeden Fall bitter leidtun, wenn ich an ihrer Stelle wäre.« Sie lächelte. Er musste doch wissen, wie attraktiv er auf Frauen wirkte. »Ruf sie an und wirf dich ihr zu Füßen. Sag ihr, dass du ihr Sklave sein wirst, ihr bewaffneter Leibwächter, ihr Beschützer, was immer. Aber du darfst sie diese Sache nicht allein durchstehen lassen.«
»Ich wollte sie nach Cornwall bringen. Ich dachte, bei meinen Eltern könnte ihr nichts passieren.«
»Hast du ihr das gesagt, oder hast du sie gebeten?«
William schaute sie verblüfft an, dann lachte er. »O mein Gott, du hast Recht. Wahrscheinlich habe ich sie
Weitere Kostenlose Bücher