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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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jeden Luxus leisten, aber davor würden Titus und er Jess einen Besuch abstatten, einen Besuch, den er in vollen Zügen genießen würde.

Kapitel 32
    J ess, warte!« Rhodri eilte ihr den Pfad hinauf nach. Er war kurz nach neun in Ty Bran angekommen, wo Aurelia und Steph mit dem Frühstück warteten, bis Jess von ihrem Spaziergang zurückkam. Er war sofort aufgebrochen, um ihr entgegenzugehen.
    Sie blieb stehen und lächelte. »Du klingst außer Atem. Von der Lunge eines Maestro würde ich eigentlich Besseres erwarten!«
    »Selbst die Bühne in der Scala ist nicht so steil wie dieser Berg!«, gab er zurück. »Und da kommt’s drauf an, dass mir die Puste nicht ausgeht, nicht hier. Wo willst du hin? Doch nicht wieder zu den Steinen hinauf, oder?«
    Sie machte eine ausweichende Geste. »Ich musste einfach raus. Mummy und Steph haben so getan, als sei alles ganz normal, haben das Frühstück hergerichtet und Alltagskram erledigt, als sei nichts passiert. Ich kann das Ganze nicht so schnell vergessen. Der kleine Junge, ganz allein.«
    »Das kann ich verstehen, Jess.« Seine Stimme war sehr sanft. »Du denkst also, dass es der Junge ist?«
    »Ich weiß es nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Ja, doch. Eigentlich bin ich mir sicher. Ein kleiner Junge, der sich verlaufen hat und weiß, dass das Heer seines Vaters da unten hingemetzelt worden ist.« Sie machte eine weit ausholende Geste. »Er hat gewusst, dass feindliche Soldaten nach ihm
und seinen Schwestern suchen. Er hat gewusst, dass sie aufgespießt werden, wenn die Römer sie finden.«
    »Ich glaube nicht, dass er das gewusst hat, Jess«, widersprach er leise. »Seine Schwester hatte ihm gesagt, dass es ein Spiel ist, vergiss das nicht. Das hast du mir selbst gesagt. Sie hat versucht, ihn vor dem Wissen zu schützen.« Er sah ihr ins Gesicht. »Du darfst nicht mehr daran denken, Jess. Es ist einfach zu schmerzlich. Stell dir vor, dass er sich unter den Steinen im Trockenen zusammengekuschelt hat und eingeschlafen ist. Vielleicht war es eine kalte Nacht, und er ist erfroren. Davon hat er gar nichts mitbekommen. Er ist einfach in einen immer tieferen Schlaf gesunken. Das wäre ein schöner Tod gewesen.«
    Sie schniefte. »Manchmal drehen meine Gedanken einfach durch.«
    Er lachte freundlich. »Das kann man wohl sagen!«
    Sie schaute auf. »Bin ich sehr nervig gewesen?«
    »Nervig würde ich mal als Untertreibung bezeichnen, aber dieser Sommer ist eindeutig ganz anders für mich geworden, als ich erwartet hatte.« Er zog sie an sich und küsste sie auf die Stirn. »Ich wurde ausgeschickt, um dich zum Brunch zu holen.«
    Einen Moment blieben sie reglos so stehen. Jess hielt die Luft an. Wenn sie den Kopf hob, würde er ihr einen Kuss auf die Lippen geben. Das wusste sie, aber sie wusste nicht, ob sie das wirklich wollte. Ein Teil von ihr wünschte sich nichts sehnlicher, als immer in seinen Armen zu bleiben. In seinen Armen fühlte sie sich so sicher. Doch ein anderer Teil von ihr zog sie ungeduldig von ihm fort, wollte an einen anderen Ort und in eine andere Zeit zurückkehren.
    »Jess …?«
    Sie trat zwei Schritte zurück. »Rhodri, nein. Es tut mir leid. Es geht nicht.«

    Er bewegte sich nicht. »Warum nicht?«
    »Weil … ich bin zurzeit völlig durch den Wind, ich bin verwirrt und durcheinander und habe furchtbare Angst.«
    Er überlegte kurz. »Ich würde gern etwas tun, damit du keine Angst mehr hast«, sagte er leise. »Ich würde dich gern beschützen.«
    »Ich weiß.«
    »Wenn wir schon dabei sind, reinen Tisch zu machen, würde ich’s gern wissen - ist es William?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Zwischen William und mir ist es aus.«
    »Weiß er das?«
    Sie nickte. »Ich glaube schon.«
    »Also ist es Eigon.«
    Wieder nickte sie. »Ich kann sie dir nicht zumuten, Rhodri. Ihretwegen bin ich völlig durcheinander. Ich weiß nicht, warum ich so tief in der Geschichte drinstecke, aber sie geht mir einfach nicht aus dem Kopf, weder tags noch nachts. Es gibt noch etwas, das ich für sie tun muss.«
    »Ihren kleinen Bruder beerdigen?«
    Überrascht sah sie zu ihm. »Du verstehst das?«
    »Natürlich verstehe ich das. Das verstehen wir alle. Deine Mutter und Steph wissen genau, was dir durch den Kopf geht. Sie sehen es vermutlich genauso wie du. Friss es nicht in dich hinein, Jess. Sei so nett und gesteh uns zu, dass wir eine gewisse Ahnung haben, was in dir vorgeht. Und weißt du, wir haben sogar selbst Gefühle. Du glaubst offenbar, du hättest als Einzige

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