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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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gesehen hatte. Eine Stelle, wo er anhalten und dem bösen Schatten entkommen konnte, der mit ihm im Wagen saß.
    Allmählich hörte sein Herz auf zu rasen. Er fuhr sich mit dem Ärmel übers Gesicht und starrte auf sein Auto. Das gleißende Sonnenlicht spiegelte sich in den Fenstern, die Fahrertür war etwas geöffnet, so, wie er sie gelassen hatte, als er ausgestiegen war. Daniel zwang sich, die hintere Tür zu öffnen und ins Innere zu spähen. Nichts. Vorsichtig streckte er eine Hand hinein, dann alle beide, fuhr mit gekrümmten Fingern durch die Luft über dem Sitz, als wollte er sich vergewissern, dass dort wirklich nichts war. Allmählich trocknete der Schweißfilm auf seinem Gesicht. Daniel schauderte, plötzlich fröstelte ihn. Aus der Ferne hörte er
das klagende Miauen eines Bussards, auf das zur Antwort das tiefe, heisere Krächzen eines Raben erklang, aggressiv und urzeitlich. Daniel schaute nach oben. Dort oben waren sie, er konnte die Vögel genau sehen. Der Rabe, eine schwarze Silhouette vor dem Blau des Himmels, wollte den Bussard offenbar vertreiben, stieß im schnellen Angriffsflug auf den Raubvogel hinab, der größer war als er und verängstigte Warnrufe ausstieß, zu denen der Schrei des Raben einen gespenstischen, markanten Kontrapunkt bildete. Beide Vögel legten die Flügel an und sausten über die Felder, eine Sekunde später waren sie über einen Bergkamm aus seinem Blickfeld verschwunden.
    Daniel merkte, dass sein Atem sehr schnell ging, als hätte er ein Wettrennen hinter sich. Er schluckte schwer und knallte die Tür zu. Einbildung. Alles nur Einbildung. Das verfluchte Haus, in dem es umging, und Jess mit ihren hysterischen Geschichten. Die setzten ihm so zu. Prüfend drehte er den Kopf, plötzlich hatte er einen steifen Hals. Einen Moment erfasste ihn ein Schwindel. Er blinzelte. Etwas an der Tür fiel ihm ins Auge. Ein roter Schmierer. Er streckte seine rechte Hand aus und starrte sie an. Eine tiefe Narbe zog sich über seine Handfläche, genau dort, wo er sich am Abend zuvor an der Glasscherbe geschnitten hatte. Der Schnitt, der verschwunden gewesen war. Jetzt sickerte Blut aus der Narbe. Er schüttelte den Kopf. Das konnte doch alles gar nicht wahr sein! Er richtete sich auf und straffte die Schultern, war wütend auf sich selbst und auf Jess. Je schneller er diesen verfluchten Ort hinter sich ließ, desto besser.
     
    »Und was wollten Sie mir zeigen?«
    Kurz nach zwölf war Rhodri durchs Tor in den Hof gefahren. Jetzt betrachtete er Jess fragend und reichte ihr mit irritierter und zugleich belustigter Miene eine Flasche Weißwein.
Sie nahm sie entgegen und grinste zögerlich. »Die Versorgungslage mit Wein ist nicht mehr so schlecht wie gestern. Schauen Sie mal.«
    Er folgte ihr ins Esszimmer und schaute auf den Skizzenblock, dem sie ihm hinhielt. »Das verstehe ich nicht«, sagte er.
    »Ich auch nicht. Ich verstehe überhaupt nichts. Die Zeichnungen sind nicht ruiniert, die Gläser sind nicht kaputt, die Weinflaschen sind voll, Daniel hatte sich nicht an der Hand geschnitten.« Jess schaute Rhodri von der Seite an. Er betrachtete immer noch stirnrunzelnd den Skizzenblock. Fast ängstlich blätterte er eine Seite um. »Das ist doch ein böser Streich, oder?«
    »Nein!«
    »Der Freund von Ihnen …«
    »Nicht mein Freund. Ein Kollege.«
    »Also gut, Ihr Kollege. Er hat doch versucht, Ihnen einen Schrecken einzujagen, oder? Er dachte, wenn Sie nur richtig Angst haben, gehen Sie mit ihm ins Bett.«
    »Nein!« Wütend drehte Jess sich zu ihm. »Das ist blanker Unsinn!«
    »Sie wollen also behaupten, dass er nicht scharf auf Sie ist?« Er schenkte ihr einen Blick, bei dem ihr zuerst heiß und dann kalt wurde, während sie vor Empörung nach Luft schnappte.
    »Das ist er nicht. Zumindest …« Sie zögerte. »Nein, natürlich nicht. Er ist verheiratet.«
    »Seit wann ist das ein Hinderungsgrund? Sie beide hier allein in tiefer Einsamkeit. Schönes Haus, reichlich Wein, weit und breit keine Menschenseele, die Sie stören könnte, bis ich hereintrample. Sie haben mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass Sie auf Gesellschaft keinen Wert legen.«

    »Nein, Rhodri, das haben Sie völlig falsch verstanden.« Jess schaute wieder auf ihren Skizzenblock. »Wie könnte jemand das alles vortäuschen?«
    »Kinderleicht. Ein zweiter Skizzenblock, so arg ramponiert, dass Sie gar nicht bemerken, dass es nicht der Ihre ist. Viele Glasscherben, viel verschütteter Wein, das kann in der Nacht

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