Die Tochter des Königs
verrenkten den Hals, um seine Worte zu verstehen. »Nun seid aber Ihr der Sieger, und ich bin derjenige, der gedemütigt wurde. Ich besaß Pferde und Männer, Waffen und Wohlstand. Verwundert es Euch, dass ich deren Verlust bedauere? Ihr wollt die Welt beherrschen, doch das bedeutet nicht, dass jeder andere sein Leben als Sklave beenden möchte! Und hätte ich mich Euch ohne Schlacht ergeben, wäre weder meine Niederlage noch Euer Sieg ruhmvoll.« Er lächelte feierlich und hob ein wenig fragend die Augenbrauen, während er dem Blick des Kaisers begegnete. »Wenn Ihr mich und meine Familie hinrichtet, werden wir alle vergessen sein. Schont Ihr unser Leben, werden mein Volk und ich in alle Ewigkeiten ein Symbol Eurer Gnade sein!«
Als er geendet hatte, breitete sich atemlose Stille über die Menge. Erst nach einer ganzen Weile erhob Claudius sich und trat an den Rand des Podiums. Er sah sich um, kniff die Augen vor der Sonne zusammen, seine Toga wehte in der leichten Brise, dann schließlich richtete er den Blick auf Caratacus.
»Ihr seid ein beredter Gegner, König Caratacus. Und ein mutiger.« Jetzt, da völlige Stille im dicht besetzten Forum herrschte, trug seine Stimme weiter. »Ich bin geneigt, Eurem Ansinnen stattzugeben und Euch zu schonen.«
Die gespannte Stille währte noch einen Moment, dann ging langsam ein Seufzen durch das Meer kniender Gefangener. Die Zuschauer griffen es auf, dann jubelte jemand. Zuerst stimmten die nächsten Umsitzenden in die Jubelrufe ein, dann fielen nach und nach alle Reihen in den Chor ein, bis das ganze Forum von ohrenbetäubendem Freudenrufen
erfüllt war, die durch die gesamte Stadt zu hallen schienen.
Claudius ließ die Menge lange Zeit gewähren, ein leichtes Lächeln spielte um seine Lippen; dass seine Worte Anklang fanden, missfiel ihm nicht. Schließlich bat er mit erhobener Hand um Ruhe. Als endlich wieder Stille einkehrte, trat er einen weiteren Schritt vor. »Ich verlange Eure Huldigung, großer König. Und die Eurer Gemahlin und Eurer Tochter.« Bei den letzten Worten blickte er Eigon direkt in die Augen.
Vor Angst stockte ihr der Atem. Sie spürte, dass ihr Vater zögerte, mit seinem Stolz rang, und sie drückte seine Hand und schaute flehentlich zu ihm hoch. Auch Claudius bemerkte es. Er wollte nicht, dass ihm dieser Moment des Triumphs durch den wahnwitzigen Mut dieses Mannes genommen wurde. »Eure Huldigung, großer König, und Eure Familie und Euer Volk lebt. Sonst sind sie alle des Todes.« Die Drohung und die Macht, die in seiner Stimme lagen, waren jetzt nicht zu überhören. Seiner vielen Schwächen zum Trotz besaß Claudius, wenn es geboten war, große Autorität.
Caratacus holte tief Luft. »Löst unsere Ketten, und ich knie vor Euch als freier Mann.«
Claudius senkte den Kopf, und auf ein Fingerschnippen hin erschienen Männer, die die Ketten entfernten. Caratacus bewegte prüfend die Finger und stieg dann auf das Podium. Er nahm die Hand des Kaisers in seine, sank auf ein Knie und küsste den Ring. »Und jetzt huldigt Ihr meiner Gemahlin.« Claudius deutete auf Agrippina, die neben ihm saß. Caratacus hob die Augenbrauen, widersprach aber nicht, sondern ergriff ihre Hand, ohne zu bemerken, wie die Senatoren und die anderen Gefolgsleute des Kaisers missbilligend die Stirn runzelten. Cerys und Eigon traten ebenfalls auf das Podium, um vor Tausenden von Zeugen dem Kaiser
Roms zu huldigen. Als Eigon zurücktreten wollte, spürte sie seine Hand auf ihrem Scheitel. Verängstigt schaute sie hoch und begegnete seinem Blick zum zweiten Mal. Dieses Mal lächelte er.
Doch der Tag war noch nicht vorüber. Als die Menschen aus dem Forum strömten, zogen sich die Männer auf dem Podium in den Senat zurück, und dorthin wurden auch Caratacus und seine Familie gebracht, damit sie ihre Ergebenheit gegenüber Rom bekräftigen und Caratacus vor dem Senat sprechen konnte. Und hier erfuhren sie auch, dass der Kaiser ihnen ein Haus schenkte, in dem sie leben sollten.
Cerys warf einen Blick zu ihrem Mann. Mit ausdrucksloser Miene senkte er den Kopf. Willigte er in seine Niederlage ein, in ein Leben, das im Grunde das eines Gefangenen sein würde? Sie konnte es nicht sagen. Aber zumindest für heute war alles vorbei. Die Ketten waren entfernt, ihr Gefolge war freigesetzt worden, um ihnen zu dienen. Als der Senat sich erhob und Claudius stehend Beifall zollte, hatten sie ihre Aufgabe erfüllt. Sie wurden aus dem Senatsgebäude in die gleißende Sonne hinausgebracht. Die
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