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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Menschenmengen zerstreuten sich, der große Tag war vorbei. Sie waren frei.
    Auf dem Weg zu ihrem neuen Zuhause suchte Eigon die Hand ihrer Mutter, sie konnte kaum fassen, dass ihr Leben verschont worden war. Sie war noch blass, ihre Augen ganz groß in ihrem schmalen Gesicht. Cerys schaute zu ihr. »Mama.« Eigon drückte ihre Hand. »Mama, ich muss dir etwas sagen.«
    »Mein Herz, es ist alles vorbei. Du brauchst keine Angst mehr zu haben.«
    Eigon sah verständnislos zu ihr hoch. »Vor nichts?«
    »Nein, meine Tochter, vor gar nichts.« Lächelnd schaute Cerys zu ihrem Mann. Sein Gesicht war ausdruckslos, er hatte das Gespräch offenbar nicht gehört. »Du brauchst dir
keine Sorgen mehr zu machen. Wir können alles vergessen und ein neues Leben anfangen.«
    Eigon nickte wortlos. Sie hatten ihr gesagt, sie solle sofort sagen, wenn sie den Mann sah, der ihr so wehgetan hatte. Sie hatte gedacht, die bösen Männer seien alle dort geblieben. Aber da, direkt vor dem Senatsgebäude, hatte einer der Soldaten sie angestarrt, und ihr Herz war stehen geblieben. Sie würde ihn überall wiedererkennen. Die harten goldgelben Wolfsaugen unter dem Helm, das scharfe, kantige Gesicht, die dicken, weichen Lippen, die über ihren Körper gewandert waren, die krallenden Finger, die sie gepackt hatten und die jetzt ein Schwert hielten, das ihn als Offizier der kaiserlichen Wache auswies. Eigon hatte ihn sofort erkannt. Und er hatte gesehen, dass sie ihn erkannte. Seine Miene war unbeweglich geblieben, während er in Habtachtstellung verharrte, aber sie wusste sofort, dass auch er sie wiedererkannte. Und jetzt wusste er, dass er die Gemahlin des Königs der Britannier und dessen Tochter geschändet hatte und dass sie, Eigon, vermutlich der einzige Mensch war, der ihn identifizieren konnte.
    Im römischen Gesetz stand auf das, was er getan hatte, die Todesstrafe. Während er dem Kind in die Augen schaute, hatte er eine kurze Geste gemacht, die es nie vergessen würde. Er war sich mit dem Finger über die Kehle gefahren. Was er damit sagen wollte, war eindeutig. Bei ihrer nächsten Begegnung würde er sie töten.
     
    Als es an der Tür klopfte, wachte Jess mit einem Ruck auf. Tageslicht fiel in den Raum.
    »Jess? Wieso ist deine Tür zugesperrt?« Die Klinke wurde knarrend auf und ab bewegt. Es war Steph.
    Jess stieg aus dem Bett und ging die Tür öffnen. »Entschuldige.«

    »Ich bring dir einen Kaffee. Ist alles in Ordnung?«
    Jess nickte. Sie schlüpfte in ihren Morgenrock, nahm Steph einen Becher ab und schloss wieder die Tür. Sie hatte beschlossen, wegen Daniel nichts zu sagen. »Eigon ist letzte Nacht gekommen. Sie war hier im Raum. Carmella hat sie wirklich hergerufen.« Sie stand mit dem Rücken zur Tür.
    Steph setzte sich aufs Bett. »Erzähl schon!«
    »Sie ist einfach aufgetaucht. Sie hat nichts gesagt, aber ich habe sie genau gesehen. Dann ist sie irgendwie verblasst. Aber nachts habe ich von ihr geträumt. Wie sie nach Rom gekommen ist, und wie Claudius ihren Vater begnadigt hat. Er hat ihnen ein Haus geschenkt, in das sie dann gezogen sind.«
    »Hat es dir Angst gemacht? Ich meine, als sie erschien?«
    Jess nickte. »Ein bisschen schon. Sie war so plötzlich da, und dann war sie auch schon wieder weg. Aber sie ist nicht erschreckend, nicht richtig. Sie ist doch nur ein kleines Mädchen.«
    »Ein zerstörungswütiges kleines Mädchen.« Steph zog die Knie an und stellte ihren Becher darauf. »Und was zum Teufel ist mit dir und den Jungs?«
    »Den Jungs?« Jess ging zum Fenster hinüber.
    »William und Daniel.«
    »Ich habe keine Ahnung, was du meinst.«
    »Jetzt komm schon, Jess. Die Spannung zwischen euch war groß genug, um ein ganzes Kraftwerk zu betreiben!«
    »Das ist keine gute Metapher, Steph.« Jess schaute auf den Brunnen. Zu dieser Zeit stand die Sonne noch nicht hoch genug, der Hof lag im Schatten.
    »Vielleicht nicht, aber vielsagend. Also, was ist los?«
    Erbost drehte sich Jess zu ihr. »Woher hat Daniel gewusst, dass ich hier bin?«

    »Offenbar hat er gestern hier angerufen. Kim hat nur vergessen, es uns zu sagen. Anscheinend ist er bei dieser Konferenz in letzter Minute für jemand anderen eingesprungen und dachte, er könnte bei ihr vorbeischauen. Er hatte keine Ahnung, dass wir alle hier sind.«
    »Sehr wohl hat er das gewusst! Ist er noch hier?«
    Steph nickte. »Da Nat und die Kinder für ein paar Tage bei ihren Eltern sind und er sich dort nicht so wohlfühlt, hat Kim ihm vorgeschlagen, bis zu

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