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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Lust, unterrichtet zu werden, zumal nicht von einem Druiden. Sie kannte Druiden nur als freudlos, streng und angsteinflößend. Druiden sprachen mit ihrem Vater, dienten ihm als Berater und Gefährten. Mit ihr hatten sie sich nie abgegeben, und daran sollte sich auch nichts ändern. Wenn der Druide kommen sollte, würde sie verschwunden sein.
    Natürlich fand er sie sofort. Er war von durchschnittlicher Größe, nicht mehr ganz jung, und trug die schlichte braune Robe eines Hausdieners. Zu Eigons Entsetzen hatte Caradoc sofort eingewilligt, ihn in seinem Haushalt aufzunehmen. Er hatte bereits von Pomponia Graecina gehört, sie war wegen ihrer starken Persönlichkeit allgemein bekannt. Er glaubte nicht, dass ein Mann, der von ihr kam, sie in Gefahr bringen konnte. Und so fand sich Melinus am folgenden Tag in der Villa ein und stand innerhalb kürzester Zeit im Garten, um seinen Schützling zu suchen.
    »Ich sehe den kleinen Sperling, der sich im Busch versteckt«, sagte er leise. Er stand mit dem Rücken zu ihr. »Er plustert seine Federn vor der Kälte auf, aber die verbergen ihn nicht. Komm, kleiner Vogel, ich möchte dich sehen.«
    Eigon hielt mucksmäuschenstill. Er drehte sich um und sah sie direkt an. Sein Gesicht mit den hohen Wangenknochen war freundlich und von tiefen Falten durchzogen, die
Brauen über seinen leuchtend blauen Augen hatten die Farbe von Sand. »Komm, Kind. Lass uns keine Zeit verlieren.« Er winkte ihr, und sie glaubte, den Zug seiner Finger zu fühlen, als berührten sie ihren Umhang. Mit einem kleinen Aufschrei verkroch sie sich noch tiefer hinter den knorrigen Baumstamm, aber sie spürte, wie er sie herauszog, als läge seine Hand um ihren Nacken. Sie konnte sich dem Zug nicht widersetzen und trat wider Willen ins Sonnenlicht, strich sich verschämt die Blätter von den Schultern. Er lächelte, und sie erwiderte das Lächeln. Seine Augen waren so blau wie der Himmel zu Hause, so blau wie die Augen ihres Vaters, sein Haar war silbern wie reifender Hafer. »Jetzt zeigt sich die widerwillige Schülerin also doch.« Er setzte sich auf den Stuhl ihrer Mutter am Wasserbecken. Der Zug an ihrem Umhang war fort, nichts zwang sie mehr zu bleiben, doch wie gebannt trat sie näher. Sie bemerkte die verblassten blauen Tätowierungen auf seinem Gesicht, die Lachfältchen um seine Augen, das Haar, das ihm in die Stirn fiel. Zu Hause rasierten sich die Druiden oft den vorderen Teil des Schädels, sie trugen Roben und hatten einen Stab, der ihren Status unterstrich. Vielleicht war er ja gar kein richtiger Druide. Der Gedanke beruhigte sie ein wenig. Die Druiden ihres Vaters waren immer zu sehr mit dem Krieg beschäftigt gewesen, um auf ein kleines, wissbegieriges Kind wie sie zu achten, aber ihr Verhalten hatte sie immer verschreckt. Fasziniert trat sie näher. Er bewegte sich nicht, ließ sie nach ihrem Gutdünken näher kommen. Vertrauen brauchte seine Zeit. Ihm war noch nicht klar, dass dieses Kind keine Zeit brauchte. Eigon fällte ihr Urteil über einen Menschen sehr schnell. In den verstörenden Monaten, die seit der Niederlage ihres Vaters vergangen waren, hatte sie gelernt, Männern zu misstrauen, doch bei diesem Mann wusste sie instinktiv, dass sie ihm ihr Leben anvertrauen konnte.
Und als sie auf ihn zuging und ihre Hände in seine legte, spürte sie in einem verborgenen Teil ihrer selbst bereits, dass er nicht nur ihr Lehrer sein würde, sondern auch ihr Freund.
     
    Jess riss die Augen auf und sah sich im Zimmer um. Draußen graute der Morgen. Sie hatte Kopfschmerzen, die Laken waren viel zu warm und unangenehm auf der Haut. Matt setzte sie sich auf. Aufgewühlt, wie sie war, brauchte sie gar nicht zu versuchen, wieder einzuschlafen. Sie hatte einen trockenen Mund, die Augen brannten vor Müdigkeit. Sie stand auf, öffnete die halb geschlossenen Fensterläden und schaute in die kühle Morgendämmerung hinaus. Im schattigen Hof saß eine Taube auf dem Brunnen und plusterte die Federn in der Gischt der Fontäne. Jess sah dem Vogel zu, der sein Bad offenkundig genoss, ehe er davonhüpfte, sich schüttelte und auf dem Rand des Beckens niederließ, um sich zu putzen.
    Im Schatten einer der ordentlich gestutzten Buchsbaumhecken, die die Beete um den Brunnen begrenzten, bewegte sich etwas. Angespannt und mit zusammengekniffenen Augen schaute Jess nach unten. Es war eine Katze, die langsam vorwärtskroch, die Muskeln angespannt, der ganze Körper sprungbereit; sie setzte jede Pfote so vorsichtig und

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