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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Träume von ihm. Ich habe ihn gesehen. Er bewacht den Kaiser.«
    »Kind, wen hast du gesehen?« Cerys setzte sich und zog Eigon zu sich.
    »Den Mann, der mir wehgetan hat. Er war da. Ich habe ihn gesehen.«
    Cerys erstarrte. Eigon spürte, dass ihre Mutter ihren Oberarm fester umklammerte, und wich ängstlich zurück. »Ich sollte dir doch sagen, wenn ich ihn wiedersehe. Er war da, in der Nähe des Kaisers. Er gehört zu seiner Garde. Und als er mich gesehen hat, hat er so gemacht.« Sie ahmte seine Geste genau nach, fuhr sich mit ihrem kleinen Zeigefinger über die Kehle. »Wir können ihn fangen lassen, Mama, und dann wird er bestraft.«
    »Nein!« Cerys’ Stimme überschlug sich fast vor Panik. »Nein. Nicht jetzt. Du darfst jetzt nicht von ihm sprechen. Dein Vater weiß nichts davon. Er darf nie erfahren, was passiert ist!«
    »Aber er weiß es doch schon.« Eigon erinnerte sich an den zärtlichen Kuss ihres Vaters, seine Versicherung, dass der Mann bestraft werden und sie ihn mit der Zeit vergessen würde.
    »Er weiß Bescheid über dich, aber nicht über …« Cerys verstummte abrupt. Sie hatte nie den Mut gefunden, ihrem Gemahl von ihrer eigenen Schändung zu erzählen, und langsam war ihr klargeworden, dass aus ihr unbekannten Gründen weder Scapula noch jemand anderer ihm davon berichtet hatte. Vielleicht war Scapula zu wütend, dass Männer unter seinem Befehl eine derartige Freveltat begangen hatten. Vielleicht hatte er befürchtet, es würde ihren, Cerys’,
Wert als Geisel schmälern, wenn ihr Gemahl sie verstieß. Sie würde es nie erfahren. Sie sah Caradocs Gesicht vor sich, seine sanften Augen, seine starken Arme, die sie umfingen, sie beschützten und sie wegen des Verlusts ihres Sohnes trösteten. Sie wusste, dass der Mann, der sie über alles liebte, sich im Handumdrehen in einen kalten, berechnenden Mörder verwandeln konnte. Der Anführer der Kelten, der Kriegerkönig, der Rom sieben lange Jahre widerstanden hatte, würde alles daransetzen, den Mann zu finden, der seiner Frau Gewalt angetan hatte. Er würde nicht ruhen, bis der Mann tot war, aber dann - was würde dann passieren? Wie würde er sie je wieder wie früher lieben können, wenn er wüsste, dass sie von einem einfachen Soldaten des feindlichen Lagers geschändet worden war? Deshalb war sie erleichtert gewesen, als ihr klarwurde, dass keiner der Römer ihm von dem Vorfall erzählt hatte.
    »Sag es niemandem, Eigon«, drängte sie ihre Tochter. »Wir sind hier in Sicherheit. Wir haben ein Zuhause, wir haben ein neues Leben. Wir müssen alles vergessen, was vorher gewesen ist. Das war in einer anderen Welt.« Sie schwieg kurz. »Du bildest dir nur ein, dass du ihn gesehen hast. Oder wenn, dann hat er dich nicht wahrgenommen. Das ist es! Er kann dich unmöglich erkannt haben. Du hast dich doch völlig verändert, Kind. Du bist fast schon eine junge Frau.« Wieder machte sie eine Pause. »Wenn er wüsste, dass du ihn erkannt hast, wäre sein Leben von dem Augenblick an verwirkt. Wenn das der Fall wäre, wäre keine von uns mehr sicher.«
    »Aber er weiß es doch, Mama«, wisperte Eigon ängstlich, doch Cerys ging schon davon und hörte die Worte ihrer Tochter gar nicht.
    Zu ihren ersten Besucherinnen gehörte die Herrin Pomponia Graecina, die Gemahlin von Aulus Plautius, des Mannes,
der bei der Eroberung der britannischen Inseln an der Spitze der römischen Streitmacht gestanden hatte und der erste Statthalter der Provinz Britannien geworden war. Pomponia Graecina war eine große, schlanke Frau, die ihr eisengraues Haar im Nacken zu einem Knoten gebunden trug. Sie stand im Atrium der Villa und sah sich mit eher strenger als freundlicher Miene um, während Cerys auf sie zutrat und sie begrüßte.
    »Wir sind also durch die Gegenwart einer Königin geehrt«, sagte Pomponia. »Und der Kaiser hat Euch willkommen geheißen.« Sie bedeutete ihren Dienern, sich zurückzuziehen, und setzte sich auf eine steinerne Bank in der Nähe des Wasserbeckens in der Mitte des Hofs.
    Einen Moment blieb Cerys majestätisch würdevoll stehen, dann nahm auch sie Platz. Eigon stand hinter ihrer Mutter und bemerkte die edlen Gewänder ihrer Besucherin und ihren Schmuck. Sie trug sehr viel Gagat, fiel Eigon auf, und die Ringe und Armreifen aus Gold waren meisterlich gearbeitet. Vermutlich gehörten sie zu den in ihrer Heimat erbeuteten Schätzen.
    »Wir sind uns begegnet, als der Kaiser nach Camulodunum kam, um unsere Herrschaft zu verkünden, nicht

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