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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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mit einem dritten, der rittlings auf einem Motorroller saß und sich eine Zigarette drehte. Sie schienen bester Laune, entspannt, als sei die Hitze das Normalste der Welt. Ein anderer Mann ging an ihnen vorbei und blieb einen Augenblick stehen, drehte sich halb um und schaute zu ihr. Daniel.
    Jess erstarrte.
    Ein Bus brauste heran, blieb mit zischenden Bremsen stehen, öffnete seine drei Flügeltüren und verstellte Jess die Sicht auf die gegenüberliegende Straßenseite. Als die Türen sich wieder schlossen und der Bus weiterfuhr, war von Daniel nichts mehr zu sehen. Jess suchte das Gedränge der Passanten auf dem Bürgersteig ab. Nichts. Aber es war eindeutig Daniel gewesen. Sie hatte ihn genau gesehen, das Lächeln auf seinem Gesicht, als er zu ihr herüberschaute, nur wenige Meter von ihr entfernt.
    »Signora?« Der Kellner servierte ihr Essen, stellte den Teller vor ihr auf den Tisch und zeigte ihr auffordernd die riesige Pfeffermühle, die er unter den Arm geklemmt hatte. »Pepe?«
    »Sì, grazie!« Nervös sah sie an dem Kellner vorbei. Sie hatte es sich nur eingebildet. Jemand, der Daniel ähnlich sah, mehr nicht. Daniel war nach Hause gefahren.

    »Buon appetito!« Der Kellner ging schon zum Nachbartisch weiter, lächelte dem nächsten Gast zu. Jess schob sich die Sonnenbrille in die Haare und hielt weiterhin die Straße im Auge. Wer immer es gewesen war, er war fort.
    »Danke.« Verspätet lächelte sie dem Kellner nach. Hunger hatte sie keinen mehr.
    Es war schon nach fünf, als sie in Kims Wohnung zurückkam. Die anderen saßen bereits zusammen mit Carmella im Wohnzimmer.
    »Da bist du ja endlich!« Kim begrüßte sie mit einem Lächeln. »Setz dich doch zu uns, Jess.«
    Jess schaute auf den Couchtisch, der vor dem Sofa stand. Zwischen den Gläsern und einer gekühlten Flasche Frascati lagen Karten in einem System ausgebreitet. Jess runzelte die Stirn. »Was macht ihr da?«
    Kim und Carmella tauschten rasch einen Blick. »Carmella hatte das Gefühl, wir sollten noch etwas mehr erfahren«, antwortete Kim zögernd. »Komm, setz dich. Ich schenk dir ein Glas Wein ein, Carmella kann es dir erklären.«
    Jess schaute zu Steph und dann zu William, der seinen Sessel ein Stück vom Tisch weggerückt hatte. Auf seinem Gesicht lag skeptische Missbilligung. Jess setzte sich auf die Armlehne von Stephs Sessel, so weit wie möglich von ihm entfernt.
    »Ich glaube, ich habe Daniel gesehen«, sagte sie. »Habt ihr nicht gesagt, er sei nach Hause gefahren?«
    Einen Moment herrschte Stille. »Das hat er uns zumindest gesagt«, meinte William schließlich. »Ist er doch wieder hier?«
    Jess schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht mit ihm gesprochen. Er stand auf der anderen Straßenseite. Dann war er verschwunden.« Sie zögerte. »Vielleicht habe ich mich auch getäuscht, und er war es gar nicht. Aber er sah ihm sehr ähnlich.«

    »Ein Doppelgänger«, sagte Kim mit einem Lächeln. »Den haben wir doch alle.«
    Dann herrschte wieder Stille. Schließlich beugte William sich vor. »Also, Carmella, dann erzähl uns doch mal, was du in den Karten siehst.« Er schaute auf den Tisch. »Eins verstehe ich nicht. Dies ist doch eine andere - wie nennst du es? - Auslage als vor ein paar Tagen. Woher willst du dann wissen, ob die Karten das Gleiche sagen?«
    »Die Karten lügen nie.« Carmella warf ihm einen scharfen Blick zu. »Sie geben die gleiche Warnung, wenn auch vielleicht auf eine andere Art.«
    Jess trank einen Schluck, der frische, kalte Wein prickelte ein wenig auf ihrer Zunge. »Verstehe ich das recht, dass es hier um mich geht?«, fragte sie. Ihre Stimme klang kritischer als beabsichtigt.
    Carmella zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Verzeih mir, aber ja, es geht um dich. Beim letzten Mal sind wir nicht fertig geworden. Wir wurden unterbrochen. Ich mache mir Sorgen. Um das Kind und um dich.«
    »Und um Daniel. Du hast mich vor Daniel gewarnt«, ergänzte Jess.
    Kim schaute zu William und zog die Stirn kraus, doch sein Blick war auf Jess’ Gesicht gerichtet. Sie versuchte vergeblich, seine Miene zu deuten. Sie räusperte sich und fragte Carmella mit einem Lächeln: »Also, machen wir dann da weiter, wo wir aufgehört haben?«
    Carmella schüttelte den Kopf. »Neulich wollten wir eine Séance abhalten. Darum geht es jetzt nicht. Dafür braucht Jess uns nicht. Das Kind spricht direkt zu ihr, oder nicht?« Sie sah zu Jess hoch.
    Jess hatte einen Kloß im Hals. Sie nickte. »Sie hat vergangene Nacht mit mir

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