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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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gesprochen. Bald ist sie kein Kind mehr«, sagte sie langsam. »Langsam wird sie eine junge Frau.«

    »Das ist gut.« Carmella lächelte. Auch sie beobachtete Jess’ Gesicht. »Aber bei dieser Auslage geht es nicht um Eigon. Es geht um dich.« Sie klopfte mit dem Fingernagel auf die Karten. »Und jetzt mische ich, und wir fangen noch einmal von vorn an. Diesmal hebst du sie ab. Wenn wir dann die gleiche Deutung bekommen, wissen wir, dass die Karten die Wahrheit sagen.« Sie warf William einen kurzen Blick zu. Dann schob sie die Karten zusammen und begann, sie zu mischen. Als sie einen ordentlichen Stapel in der Hand hielt, legte sie ihn vor Jess auf den Tisch. »Heb ab.«
    Jess stellte ihr Glas beiseite und streckte die Hand aus.
    »Warte«, sagte Carmella. »Bevor du sie anfasst, überleg dir, was du wissen willst. Du sollst es mir nicht sagen, sondern einfach daran denken, und wenn du so weit bist, dann heb ab.«
    »Soll die Frage Eigon betreffen?«
    »Das ist egal.« Carmella sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Du kannst fragen, wonach du willst.« Sie lehnte sich zurück. »Meine Großmutter hat immer Weihrauch abgebrannt, bevor und nachdem sie die Karten las«, erzählte sie leise. Wieder verspürte sie das seltsame Unbehagen, als wollte eine andere Person aus weiter Ferne bei dieser Auslage mitspielen. »Sie sagte, die Karten seien heilig. Das ist kein Spiel, es ist ein Ritual.«
    »Und? Haben wir keinen Weihrauch?« William sah noch skeptischer drein.
    Carmella zuckte mit den Schultern. »Adriano fand solche Sachen entsetzlich, stimmt’s, Kim?« Sie lachte. »Er liebte die Karten, aber für ihn waren sie reine Unterhaltung. In gewisser Hinsicht ist mir nicht ganz wohl dabei, das Tarot hier zu legen. Es hätte ihm nicht gefallen, und ich nehme das, was die Karten sagen, ernst. Nein, aus Respekt vor Adrianos Wünschen habe ich keinen Weihrauch mitgebracht,
aber hier« - sie klopfte auf ihre Brust -, »hier habe ich ein Gebet gesprochen, auch für euer kleines Mädchen.« Sie trank einen Schluck Wein, setzte ihr Glas ab und beugte sich vor. »Bist du bereit, Jess?«
    Jess nickte. Plötzlich war sie nervös. Sie wartete noch einige Sekunden, dann hob sie das Deck vorsichtig ab.
    »Gut. Und jetzt musst du dich konzentrieren.« Carmella nahm die Karten und teilte sie in drei Stapel.
    »Moment mal.« William beugte sich vor. »Es sollte doch wohl Jess sein, die die Karten aussucht.«
    Carmella schaute auf und verzog das Gesicht. »So mache ich das normalerweise nicht.«
    »Aber ich finde, in diesem Fall solltest du es ihr überlassen. Es geht doch um sie.«
    »William, ich habe nichts dagegen, wenn Carmella das übernimmt. Ich weiß sowieso nicht, wie man’s macht«, warf Jess ein.
    »Kennst du dich mit Kartenlegen aus, William?«, fragte Kim. »Plötzlich klingst du wie ein Experte.«
    »Ich möchte nur, dass es richtig gemacht wird.« William schürzte die Lippen. »Nein, ich bin kein Experte, außerdem glaube ich nicht an solchen Hokuspokus, aber ich bin nicht bereit zuzusehen, wie du, Jess, unnötig in Aufregung versetzt wirst …«
    »Wie soll die Person, die die Karten auswählt, Carmellas Deutung beeinflussen, wenn die ganze Sache sowieso abgekartet ist, wie du sagst?«, fragte Kim süffisant. »Ich schlage vor, du gehst mit deinem Glas Wein nach nebenan, bis wir hier fertig sind.«
    »Nein.« Carmella hob beschwichtigend die Hand. »Nein, er hat Recht, vorsichtig zu sein. Und er hat auch Recht mit dem anderen. Manchmal lassen Leger den Fragesteller die Karten wählen. Mir ist es egal. Jess, bitte zieh neun Karten
aus dem Deck und leg sie mit dem Gesicht nach unten auf den Tisch, und zwar in drei Reihen à drei.«
    Jess warf William einen wütenden Blick zu, nahm den Stapel in die Hand, zog neun Karten und legte sie umgedreht vor sich auf den Tisch. Als sie die erste aufdecken wollte, hielt Carmella abwehrend die Hand hoch.
    »Nein, wenn William nichts dagegen hat, drehe ich sie um und deute sie für dich.« Einige Sekunden herrschte Stille, dann hatte sie die Karten zu ihrer Zufriedenheit angeordnet und drehte die erste um. Ihr stockte der Atem.
    Jess schaute erschreckt auf. »Was ist?«
    Carmella sagte nichts, sondern deckte schweigend die restlichen Karten auf. Alle schauten ihr zu, während sie die ausgelegten Karten studierte. Nach einer langen Weile sah sie schließlich auf. »Ich bin es nicht gewohnt, dass man mich als Betrügerin bezeichnet«, sagte sie mit einem strengen Blick zu William,

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