Die Tochter des Leuchtturmmeisters
halten. Karins Gedanken wanderten wieder zu der Frau mit der strengen Haartracht und den schwarzen Schnürstiefeln. Tomaten, dachte sie. Irgendwo hatte sie von einem Leuchtturmwärter gelesen, der das ganze Jahr über Tomaten essen konnte, weil es im Scheinwerferraum des Leuchtturms immer hell und warm war, genau wie in einem Gewächshaus.
Der Vorratskeller war ein schöner Bau, das Fundament aus Naturstein und darüber eine rotgestrichene Holzfassade. Zu Kriegszeiten hatte er als Schutzraum für das Leuchtturmpersonalgedient, deshalb die massive Panzertür. Die Tür wurde von einem eleganten römischen Bogen überwölbt, und zu beiden Seiten des Ganges, der zum Eingang führte, befand sich eine solide Steinmauer. Ganz sicher ein willkommener Schutz für jeden, der bei Schlechtwetter in den Keller wollte. Roland stieg über das Absperrband und öffnete die Tür. Es dauerte einen Moment, bevor sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnten, und Karin wollte schon ihre Taschenlampe hervorholen, als Roland die Petroleumlampe anzündete, die drinnen an der Wand hing. Das weiche Licht, das sich im Raum ausbreitete, erschien passender als der scharfe Strahl der Taschenlampe.
»Hier drüben«, sagte Roland. »Es hätte mir auffallen müssen, schließlich wusste ich ja, dass jede hier wohnende Familie ein eigenes Stück des Vorratskellers besaß, und hier gab es drei Familien, die des Leuchtturmmeisters, des Leuchtturmwärters und des Leuchtturmhelfers. Aber der Vorratskeller hatte nur eine Unterteilung. Erst heute ist mir klargeworden, dass es das dritte Stück gab, dass dieses aber zugemauert war.«
»Weißt du, wie lange die Mauer gestanden hat?«, fragte Karin.
»Nein«, antwortete Roland. »Aber es muss eine ziemlich lange Zeit gewesen sein.«
Sie näherten sich der eingestürzten Wand, und er wies in den Raum dahinter: »Da drinnen liegt er.«
Sie baten Roland, draußen zu warten. Er schien erleichtert, als er Carsten die Petroleumlampe reichte, kehrtmachte und die dicke Panzertür aufschob. Einen Augenblick strömte frische Luft herein, bis die Tür mit dumpfem Knall ins Schloss fiel. Vorsichtig und ohne zu sprechen stiegen sie über den am Boden liegenden Steinhaufen. Der Lampenschein bewegte sich vor ihnen und erreichte den Mann im Inneren.
»Oh«, sagte Karin und versuchte zu sehen, wohin sie ihre Füße setzte. Sie schaltete die Taschenlampe zusätzlich an.
»Er muss schon lange hier gelegen haben. Die Frage ist nur, wie lange«, sagte Carsten.
»Erstaunlich gut erhalten, vielleicht liegt das an der salzhaltigen Luft?«, meinte Karin und zog ihr Telefon heraus. »Ich sage der Spurensicherung Bescheid.«
3.
In der Fiskaregatan rannten sechs Kinder lärmend im Haus umher. Waldemar setzte sich aufs Sofa. Er sah erschöpft aus. Die Enkel waren länger geblieben, als für den Sonntagnachmittag üblich, und die Lautstärke überstieg das erträgliche Maß bei weitem.
Er streckte die Hand nach dem Glas Calvados aus.
Normalerweise verdrückte er sich zum Golfplatz von Gullbringa, aber dort hatte die Saison noch nicht begonnen.
Oder ihm war befohlen worden daheimzubleiben, dachte Sara.
Sie betrachtete ihre beiden Schwägerinnen, Diane und Annelie. Zwei Schwestern, die verschiedener nicht sein konnten. Die eine blond, die andere dunkel. Halbschwestern, korrigierte sie sich. Diane war Siris Tochter aus erster Ehe.
Sie war im Marketing tätig. Jedenfalls wurde das so genannt, wenn jemand aus dem Bekanntenkreis fragte, was die älteste Tochter denn mache. Was es in der Praxis bedeutete, nämlich, dass sie halbtags Werbebroschüren verteilte, verschwieg man und brachte das Gespräch geschickt auf Dianes erfolgreichen Mann Alexander, den Immobilienmakler.
Der arbeitete ausschließlich in »den mondänsten Stadtteilen Göteborgs«, vor allem in Örgryte und Långedrag. In der Woche davor hatte Diane ihre Eltern angerufen und sie gebeten, sie möchten sich doch zusammen mit ihnen ein Haus ansehen, an dem Alexander und sie interessiert wären und das sogar in Långedrag läge.
Dianes Geschwister, Annelie und Tomas, hatten sich gefragt, wie die beiden sich dieses Haus wohl leisten könnten. Die Erklärung kam, als Siri sagte, dass sie Diane und Alexander finanziell zu unterstützen gedachte. Sie und Waldemarwürden den halben Kredit übernehmen, das hatte sie erzählt, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Wir haben ein Angebot auf das Haus abgegeben«, sagte Diane. »Der Makler glaubt, dass wir gute Chancen haben. Er ist
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