Die Tochter des Leuchtturmmeisters
draußen außer den üblichen auch keine anderen Boote gesehen hatte. Nachdem er noch erläutert hatte, was er mit den »üblichen« Booten meinte, bedankten sich Karin und Rob. Sie wollten gerade gehen, als der Fischer sich noch einmal zu Karin umdrehte.
»Is das dein Boot, das dort in der Blekebukten?«
Eigentlich brauchte Yngve nicht zu fragen, Karin vermutete, dass er sehr gut Bescheid wusste, wer hier welches Boot besaß, und genauestens darüber informiert war, wie lange sie schon am Schwimmanleger lag.
»Hab so eins noch nie nich gesehn. Was iss’n das für’ ne Sorte?«
»Knocker-Imram, französisches Stahlboot.«
»Liegt’s gut im Wasser?«, fragte er.
»Ganz toll. Es nimmt die Wellen ganz weich. Bei einem Stahlboot meint man eine ganz andere Kraft zu spüren. Die Wellen bremsen es nicht so aus wie ein Plastikboot, es ist, als würde es die einfach durchschneiden.«
»Hab auch begriffen, daste an Bord wohnst. Wie kriegste das warm?«
Karin berichtete von dem Dieselofen und ihren Überlegungen, die Installation so zu verändern, dass sie das Boot mit Strom vom Land erwärmen konnte. Yngve hatte Beziehungen und gab Karin die Nummer eines Mannes, der ihr bestimmt dabei helfen würde. Sie lächelte und dankte herzlich. Rob schob die Tür hinter ihnen zu. Auf dem Anleger lagen Krebskörbe in ordentlichen Reihen. Ein Container mit einem surrenden Kühlaggregat stand Wand an Wand mit Yngves Geräteschuppen.
»Wie wäre es, so zu arbeiten«, sagte Rob und deutete auf den weißen Kutter.
»Man kann sich zweifellos auf verschiedene Weisen versorgen. Stell dir vor, du bist Fischer von Beruf, und in deiner Freizeit stellst du dich obendrein noch mit ’ner Angel auf die Klippen. Dann liebst du das, was du tust, wahrhaftig …«, sagte Karin und überlegte, was sie sich als Nächstes vornehmen sollten. Der Zeiger näherte sich der Mittagszeit, und sie beschlossen, im
Hamnkrogen
auf Koön zu essen. Auf dem Weg dorthin konnten sie bei Marta vorbeischauen.
Rob war gerade losgefahren, als Karin ihn bat, noch einmal zu halten. Sie rannte zurück zu Yngves grauem Geräteschuppen,klopfte und ging hinein, ohne die Antwort abzuwarten. Yngve und Reidar saßen genauso da wie zuvor. Yngve senkte die Kaffeetasse und wirkte schuldbewusst.
»Hätt wohl erwähnen sollen, dass ich ’n paar Bilder gemacht hab«, sagte er zögernd, bevor Karin etwas sagen konnte. Er reichte ihr seine Digitalkamera. »Hab ich aufgenommen, als ich begriff, dass das ’n Toter war.«
Er klang unsicher, und Karin begriff, dass er sich unwohl fühlte. Die Kamera war eingeschaltet. Sie warf einen raschen Blick aufs Display und spürte, wie sich ihr der Magen umdrehte. O Gott. O mein Gott, dachte sie. Rob und sie hatten die mitgebrachten Fotos nicht angesehen, die von der Küstenwache und später, nach der Übernahme der Leiche, von der Kriminaltechnik gemacht worden waren. Zwar hatte Karin gelernt, ein Pokerface aufzusetzen, aber ihr Schweigen ließ die Männer jetzt betroffen reagieren.
»Ich wollt nich … hab die ganze Zeit gedacht, ich …«, stammelte Yngve nervös.
»Ja, ja, schon gut«, schnitt Karin ihm das Wort ab und erklärte, dass sie die Kamera mitnehmen müsste. Fast hätte sie vergessen, weshalb sie zurückgekommen war.
»Simon Nevelius«, sagte sie schließlich.
Ihr war klar, dass es nur ein Versuch war, aber vielleicht klappte es ja. »Ist er mit jemandem hier draußen verwandt?« Sie sah die beiden Männer an, ohne ihnen irgendwelche Namen anzubieten.
»Ja, ja«, sagte Yngve. »Is der Bruder vom Blixten.«
»Blixten?«, fragte Karin.
»Sein Spitzname war ›Blitz‹, weil er immer so langsam war. Unser früherer Polizist, Sten Widstrand.«
Sie parkten den Wagen und gingen die Sveagatan bis zur Slottsgatan hinunter. Inger vom Pastorat Torsby hatte sich gemeldet und berichtet, dass Arvid Stiernkvist 1963 eine Elin Strömmer geheiratet hatte. Die Trauung war von Marstrandsaltem Pastor vollzogen worden, es war seine letzte, bevor er in Pension gegangen war. Arvid Stiernkvist war also bereits verheiratet gewesen, als Siri diesen Simon Nevelius dazu gebracht hatte, ihren und Arvids Namen in das Trauungsbuch einzutragen.
»Der Ehering«, sagte Karin zu Rob.
»Nun bin ich ja keine Frau, und da ist es besser, du sprichst in ganzen Sätzen, wenn du mit mir redest. Meine telepathischen Fähigkeiten sind nicht besonders gut ausgebildet«, erklärte Rob.
»Erinnerst du dich, dass im Bericht der Rechtsmedizin stand, Arvid habe
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